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Marais-Fieber

Marais-Fieber

Titel: Marais-Fieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Francs von Cabirol der Kleinen geben würde, die ihren Teddybären
verpfänden mußte? Die Adresse der Eltern würde ich schon rauskriegen...
    „...Und ich werde auch nie
erfahren ,“ fuhr ich mit Grabesstimme fort, „ob Latuit
mir von sich aus hinterher- und in die Falle gegangen ist, oder ob Sie ihn dazu
ermuntert haben... Und wenn Sie ihn dazu ermuntert haben, werde ich mit
Sicherheit nie erfahren, ob Sie gehofft haben, daß er mich oder ich ihn umlegen
würde... Ich weiß es nicht... will’s auch nicht wissen...“
    Sie stand auf, strich sich die
schönen Flaare aus dem schönen Gesicht und sah mich schweigend an. Kein Gefühl
war in ihren Augen zu sehen. Ich stopfte den Nylonslip in die Tüte und schob
ihr die Tüte unter den Arm. Sie kreuzte die Arme vor ihrer Jacke, um ihre
nackten Brüste zu verdecken. Wie eine Schlafwandlerin ging sie zur Tür. Bei
jedem Schritt blitzte Seide durch den geschlitzten Rock.
     
    * * *
     
    Am nächsten Tag stand im Crépuscule unter „Verschiedenes“:
    In
der Rue de Bretagne warf sich ein junges Mädchen unter einen Lastwagen. Es handelt
sich um die 22jährige Odette Larchaut, wohnhaft in der Rue de Thorigny. Sie
starb kurz darauf im Hospital. Offensichtlich Selbstmord. Allerdings stand der
Fahrer des Lastwagens unter leichtem Alkoholeinfluß. Das Kommissariat von
Marché des Enfants-Rouges hat die Ermittlungen eingeleitet.
     
    Kinder in roten Kitteln!
    Das Quartier nannte sich
tatsächlich so.
    Kinder in blutroten Kitteln,
das paßte.

Nachgang
     
    Die Geschäfte müssen wohl sehr
schlecht gelaufen sein in der Fonderie Ancienne du Marais. Vielleicht hat
Madame Jacquier nach dem tragischen Tod ihrer Tochter den Laden auch aus Gram
dichtgemacht. Die Rue de la Perle jedenfalls ist längst kein Zentrum der
Gießereien mehr. Die vielen kleinen Handwerksbetriebe mit ihren
Hinterhof-Produktionen hat ein Vorjahren einsetzender Renovierungsboom in den
nördlichen Teil des Marais abgedrängt. Vereinzelt findet man sie noch im
populären Quartier am Square du Temple. In der Cité Dupetit-Thouars zum Beispiel,
einer dieser engen Sackgassen, in denen die Zeit stehengeblieben ist. Ein
Monsieur Hénin (der Ältere) führt dort noch eine Billard-Fabrik, und in den mit
holprigem Kopfstein bepflasterten Innenhöfen türmt sich allerlei Gerät auf, das
nur darauf zu warten scheint, vom Alteisen-Händler abgeholt zu werden.

    Den Eingang zu dieser von den
Altstadt-Sanierern offenbar vergessenen Gasse markiert das Schild Aux trois
serpents („Zu den drei Schlangen“). Keine exotische Kneipe etwa, in der
kongolesische Tafelfreuden die Speisekarte zieren, sondern ein
Lederwaren-Geschäft. Sehr viel mehr als drei Schlangen
haben wohl nicht ihr Leben lassen müssen, um dem eher tristen Angebot einen
Hauch von Luxus beizumischen.
    Sehr viel geschäftiger geht es
im nahegelegenen Marché du Temple zu, in dem sich seit Jahrzehnten schon eine
minderbetuchte Kundschaft mit Lederjacken und Mänteln eindeckt, die in den
feinen Läden der Innenstadt schon in der Vorsaison vom Bügel genommen wurden
oder die aus der Überschußware der Massenbetriebe stammen.
    Am Rand des überdachten
Marktes, der ein wenig an die abgerissenen Hallen denken läßt und nach deren
Vorbild auch nachgebaut wurde, liegt der stille und beschauliche Square. Ein
kleiner Park mit Pavillon und einem Ententeich und vielen Bänken. Nichts ist
mehr geblieben von den Zeugnissen des Templer-Ordens, der einmal zu den
Großgrundbesitzern in Paris zählte und rund ein Viertel städtischen Bodens sein
eigen nannte.

    Philipp der Schöne löste zu
Beginn des 14. Jahrhunderts mit päpstlichem Segen den zunehmend lästigen Orden
auf und verleibte sich einen Großteil seines Besitzes ein. Den Rest vermachte
er dem Johanniterorden, den späteren Maltesern. Als die im Zuge der Revolution
vertrieben wurden, kerkerte man die königliche Familie in dem Turm des Temple
ein. Der Turm wurde später abgerissen, nachdem er zunehmend zur Pilgerstätte
eingefleischter Royalisten geworden war. Man muß von dort aus nur ein paar
Straßen durchqueren, um das angeblich älteste Haus von Paris ausfindig zu
machen. Es steht in der Rue Volta Nr. 3 und stammt aus dem 14., wenn nicht gar
dem
    13. Jahrhundert. Andere Quellen
freilich orten das älteste Haus in der Rue de Montmorency. Es gehörte dem
Schriftsteller Nicolas Flamel und beherbergt heute ein Restaurant.
    Dem Haus in der Rue Volta
gegenüber hat sich eine nichtssagend häßliche Nachkriegsfassade

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