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Marathon

Marathon

Titel: Marathon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Frangenberg
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geputzt, sondern auch
ordnungsgemäß durchgelüftet wurde, nach
dreißig Stunden längst verflogen sein. Gröber
folgte Remmer durch die Wohnung.
    »Jemand hat hier
was gesucht«, murmelte sie. Es waren nur Kleinigkeiten, die
die Ordnung störten, die ihnen jetzt auffielen. Einige
Bücher schienen nicht am richtigen Platz zu stehen, eine Kiste
mit alten Fotos lag geöffnet auf einem Stuhl im Schlafzimmer,
ein Anzug war im Kleiderschrank vom Bügel gefallen. »Und
es scheint noch nicht so lange her zu sein, dass er hier
war.«

9
    Remmer hatte ihn
tatsächlich gehen lassen. Sie würde eine Stunde auf ihn
verzichten können. Noch nie hatte er so viel Aufheben um eine
blöde Stunde während der Dienstzeit gemacht. Doch diesmal
ging es darum, Vorsätzen Taten folgen zu lassen. Gröber
hatte seinen Wagen gleich in der Nähe des Blücherparks
geparkt. Aus dem Kofferraum kramte er alte Laufschuhe und eine
verschlissene Trainingshose.
    Er wollte es wissen.
Nicht dass er vorhatte, jetzt mit dem Laufen anzufangen und sich
womöglich in den Kreis der Verrückten einzureihen, die
sich nichts Spannenderes vorstellen konnten, als einmal im Leben
den Köln-Marathon mitzulaufen. Doch die Tatsache, dass seit
Tagen alle Zeitungen von den Marathonvorbereitungen berichteten,
hatte ihn animiert, sich selbst zu testen. Gegen die Trägheit.
Fünf Runden.
    Er zog sich im Schutze
der aufgeklappten Kofferraumtür Hose und Schuhe an, was ihm
zur eigenen Überraschung recht zügig und ohne
Zwischenfälle gelang.
    Ein cooleres Hemd
hätte ich mir einpacken können, dachte er, während
er das ausgeleierte schwarze Shirt über seinem Bauch glatt
strich. »Emancipation« stand mit orangefarbener Schrift
auf der Brust, der Titel irgendeines Prince-Albums aus grauer
Vorzeit. Er kam sich ein bisschen albern vor, als er die
Straße überquerte. Doch zu laufen bedeutete eben auch
Überwindung. Für ihn besonders viel Überwindung. Er
konnte nicht einfach so loslaufen. Das war so. wie wenn man in ein
kaltes Schwimmbecken springen will und schon vorher in
jeder Faser seines Körpers spürt, wie es sich gleich
anfühlen wird, wenn man in dieses ekelige kalte Wasser
eintaucht. Er atmete ein paar Mal tief durch: Wenn seine Ausdauer
schon nicht fürs Fitness-Studio reichte, wollte er sich
wenigstens hier mal beweisen, dass er noch nicht zum alten Eisen
gehörte. Eben nur zum Test.
    Er zählte
rückwärts, um sich zum Start zu zwingen. Bei der
»Zwei« fiel ihm glücklicherweise noch gerade
rechtzeitig ein, dass man sich vor dem Laufen ein wenig
aufwärmen sollte. Also trabte er zur nächsten Parkbank,
um dort seine Muskeln zu dehnen. Er musste sich an der Lehne
festhalten, um nicht umzufallen, während er seine Fersen an
die Pobacke zog. Und während er glaubte, dass sich seine
Muskeln bei dieser unnatürlichen Bewegung regelrecht
verhärteten, kamen ihm die ersten Zweifel. »Was für
ein Schwachsinn.«
    Weil ihm keine
weiteren Dehnübungen einfielen, trabte er schließlich
langsam los. »Geht doch«, munterte er sich auf,
während er das ungewohnte Terrain mit polizeigeschultem
Scharfblick musterte. Normale Fußgänger schien es in
diesem Park nicht mehr zu geben. Nur Läufer, ein paar Leute
mit Skistöcken und einige Hundebesitzer, die sich nicht um die
Anleinpflicht scherten. Fälle fürs
Ordnungsamt.
    Er suchte sich in
Gedanken einen Rhythmus aus dem aktuellen Moby-Album. Monoton
setzte er Fuß vor Fuß und freute sich, dass er seine
auf hundertfünfundachtzig Zentimeter
Körpergröße ungleichmäßig verteilten
hundert Kilo doch einigermaßen locker durch den Park tragen
konnte - zumindest die ersten hundert Meter. Die Strecke bis zur
ersten Abzweigung kam ihm schnell unendlich weit vor. Am etwa
zweihundert Meter entfernten Horizont fuhr ein Kind Fahrrad. Er
konnte sich nicht vorstellen, es in der nächsten halben Stunde
erreichen zu können. Er summte vor sich hin, um sich
abzulenken.
    Das Kind rückte
näher. Doch nur wenige Sekunden nachdem er erleichtert
registriert hatte, dass er auch in der Lage war, weite Distanzen
laufend überwinden zu können, versetzte ihm eine
überaus attraktive junge Frau einen Tiefschlag: Sie
überholte ihn und zwar in solch einem Tempo, dass er sie auch
mit einem Zwischenspurt kaum eingeholt hätte. Gröber war
bewusst gegen den Uhrzeigersinn gelaufen, um nicht zu häufig
überholt zu werden. Doch nun sah er, der
»Emanciaption« vor sich hertrug, dieses fremde schnelle
Wesen in einem schicken Trikot des AC Mailand

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