Marathon
haben. Deshalb
hat er das ganze Blut auf dem Sofa
verloren.«
Gröber musste die
Beine andauernd gestreckt halten, um keinen Krampf zu
bekommen.
»Eine Stunde
muss das gedauert haben, mehr nicht. Er wollte, dass der Mann
verblutet. Dann hat ihn der Mörder irgendwie aus der Wohnung
geschafft, drei Stockwerke die Treppe runtergeschleppt, ohne dass
es ein Nachbar bemerkt und ohne dass er dabei auch nur einen
Tropfen Blut im Treppenhaus verloren hat, und ihn dann mit einem
geklauten Citroën zur Bonner Straße gefahren. Das ist
alles.«
»Todeszeit?«
»Vorgestern,
später Abend, so zwischen acht und zehn, schätzen die
Jungs. Er hat etwa zwanzig Stunden in dem Kofferraum
gelegen.«
Er zog die
Fußspitzen an.
»Das
Messer?«
»Irgendein
Messer. Normale Größe, etwa fünfundzwanzig
Zentimeter, spitz und scharf. Unser Mann hat es wieder
mitgenommen.«
»Dazu keine
Spuren in der Wohnung. Ein bisschen kaputtes Porzellan, nichts
gestohlen. Keine Schreie, die jemand gehört hat. Also
nichts.«
»Kein Hinweis
darauf, dass jemand nach dem Mörder in der Wohnung war oder
unser Mann noch mal zurückgekommen ist?«
Gröber beugte
sich verkrampft über seinen Schreibtisch, um eine optimale
Körperspannung zu erzwingen. Um die Schmerzen in den Beinen zu
überspielen, schüttelte er demonstrativ den Kopf und
ordnete ebenso beiläufig, wie er eben an seinen Achseln
gerochen hatte, um die Folgen seines Trimm-dich-Anfalls zu
prüfen, ein paar Bleistifte nach ihrer Größe. Er
hatte keine Lust auf diesen immer wiederkehrenden gleichen Kram:
Familie, Freunde, Liebesleben, Kontostand, endlose Verhöre in
der Hoffnung, dass sich einer verquatschte. Die Perspektiven wurden
noch unerfreulicher, weil sie mit Bewegungen verbunden
waren.
»Ich will
nicht«, murmelte er. »Ich hätte Urlaub nehmen
sollen, so wie ich's vorgehabt habe.«
»Hast du aber
nicht«, erwiderte Remmer. Sie zog sich die Schuhe an.
»Es geht los.«
»Was machen wir
zuerst?«
»Wir fahren zu
seiner Mutter. Nimm mit, was wir haben. Lies es mir im Auto
vor.«
Gröber nahm die
dünne Akte der Spurensicherung und die paar Notizen der
Kollegen, die die Nachbarn befragt hatten, brachte sich mühsam
in Bewegung und schlich seiner Kollegin mit schmerzverzerrtem
Gesicht zum Auto hinterher. Die Mutter des Toten wohnte in
Porz-Langel, ein gutes Stück vom Polizeipräsidium
entfernt. Zeit zum Aktenstudium.
»Also«,
begann Gröber, während Remmer den Ford aus der Garage
lenkte. »Der Tote heißt Frank Vosskamp.
Neununddreißig Jahre alt, geboren in Köln, ledig,
leitender Angestellter im Bankhaus Oppenheim. Keine Vorstrafen,
keine Kinder, dafür ein paar teure Hobbys: Golf, Skifahren,
schnelle Autos.«
»Woher wissen
wir das?«
»Wir haben einen
Porsche in der Garage gefunden. Höchstens zwei Jahre alt.
Wunderschön. Und im Kofferraum ein komplettes
Golfschläger-Set.«
»Wer bekommt den
Wagen jetzt?«
»Wir haben
nichts gefunden, was wie ein Testament aussieht. Kinder hat er
nicht, 'ne Frau auch nicht. Dann bekommt's die
Mutter.«
»Das macht das
Überbringen der Todesnachricht leichter.«
»War noch keiner
da?«
»Nein«,
antwortete Remmer ruhig. »Mach weiter.«
»Die Nachbarn
sagen, er sei ein freundlicher und ruhiger Mann gewesen. Ab und zu
mal ein paar Minuten laute Musik. Aber wirklich nur ab und zu.
Ansonsten kein Grund zur Klage. Abends hat er oft im Eichendorff
ein paar Kölsch getrunken. Meist allein am Tresen. Auch hier
nichts Auffälliges. Alle sagen nur, was dieser Vosskamp
für 'n freundlicher Typ gewesen ist.«
»Freunde,
Besuche?«
»Ein paar Leute
hat er wohl mal zu Besuch gehabt. Bis vor einem halben Jahr soll
auch eine Frau regelmäßig gekommen sein. Aber auch hier:
nichts Auffälliges, alles ruhig und gesittet.«
Gröber schaute zum Rheinufer herüber. »Hätte
das nicht heute Morgen schon jemand machen
können?«
»Was?«
»Ja, der Mutter
Bescheid geben.«
»Vielleicht«, murmelte
Remmer. »Ich mach das gleich. Du brauchst nichts zu
sagen.«
Während seiner
Chefin nach einem Leichenfund immer noch übel werden konnte,
hatte er nach all den Jahren immer noch keine Routine beim
Überbringen der Todesnachricht entwickelt. Schön zu
wissen, dass einem nicht alles egal ist bei diesem Job.
Gröber drehte am
Lautstärke-Regler des Autoradios. Aus den Boxen lästerte
Gerd Köster:
»Mer
lääven quasi en d'r Jroßstadt, dobei simmer all
Buure Säu.«
»Tolle
Platte«, sagte Remmer. »Hat mir mein Sohn
geschenkt.«
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