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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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die Belohnung für eine mitzva wieder eine
    mitzva.«
     
    »Ach, wie ich vermutet hatte: der alte Mordecai Cartafilo.«
    Fast mürrisch meinte Levi: »Das kann kein Jude sein. Mordecai
     
    ist ein Name aus dem alten Babylon. Und Cartafilo -so heißen
    nur gayim.«
    »Er hat aber gesagt, daß er Jude sei, und vorgekommen ist er
     
    mir auch wie ein solcher; und das war der Name, den er
    benutzt hat.«
     
    »Und gleich werdet Ihr noch sagen, er sei umhergewandert.«
    Verwirrt sagte ich: »Nun, er hat mir durchaus gesagt, er hätte
    ausgedehnte Reisen unternommen.«
     
    »Khakma«, sagte er mit krächzender Stimme, so daß ich das
    für ein Wort des Hohns und Spotts hielt. »Das ist eine Fabel,
    die die Fabulierer der goyim sich ausgedacht haben. So etwas
    wie einen unsterblichen wandernden Juden gibt es nicht! Die
    Lamedvav sind sterblich; nur daß immer sechsunddreißig von
    ihnen unerkannt und helfend über die Erde wandern.«
     
    Ich hatte keine Lust, noch länger in diesem Dämmer zu
    verweilen und mir anzuhören, wie Levi sich über irgendwelche
    Legenden erging. Ich sagte: »Ihr seid mir einer -sich über
    Fabulierer lustig zu machen und mir eine derartig lächerliche
    Geschichte wie die von den Zauberern und den sprechenden
    Köpfe n aufzutischen!«
     
    Lange sah er mich an und kratzte sich nachdenklich in seinem
    geringelten Bart. »Lächerlich?« Mit diesem Wort reichte er mir
    seine Metallstange. »Hier, ich möchte nicht in dieses Öl
    hineintreten. Zertrümmert nur den nächsten Krug der Reihe.«
     
    Einen Moment zögerte ich. Auch wenn es sich bei diesem
    Gebäude um nichts weiter handelte als um ein masjid-
    Gotteshaus, hatten wir es doch schon hinreichend entweiht.
    Doch dann dachte ich: ein Krug, zwei Krüge -was spielt das für
    eine Rolle? Und schwang die Stange mit aller Macht, und mit
    sprödem Krachen zersprang der zweite Krug, er-goß sich ein
    Schwall von dickflüssigem Sesamöl auf den Boden -doch noch
     
    etwas anderes landete mit leise schmatzendem Laut auf dem Boden. Ich beugte mich darüber, um besser sehen zu können, doch dann fuhr ich zurück und sagte zu Levi: »Kommt, laßt uns machen, daß wir von hier fortkommen.«
    Auf der Schwelle fand ich meine Hose. Sie lag immer noch dort, wo ich sie hingelegt hatte, und so zog ich sie dankbar wieder an. Es machte mir nichts aus, daß sie sich augenblicklich mit Öl vollsaugte und mir an der Haut klebte; meine übrige Kleidung war ohnehin klamm und ölgetränkt und troff. Ich dankte Levi, daß er mich errettet -und daß er mir die arabische Zauberei erklärt hatte. Er wünschte mir: »Lechäim und bon voyage«, und warnte mich, mich nicht immer darauf zu verlassen, daß das weitergegebene Wort eines nicht-existierenden Juden mich vor jedem Schlamassel bewahre. Dann kehrte er zurück an seine Esse, und ich eilte heim in die Herberge, wobei ich mich zu wiederholten Malen umblickte, um mich zu vergewissern, daß mir auch wirklich nicht die drei Araberjungen oder der Zauberer folgten, für den sie mich gefangen hatten. Ich glaubte längst nicht mehr, daß es sich bei diesem Abenteuer um einen Dummejungenstreich gehandelt hatte, und tat auch die Zauberei nicht mehr als Hirngespinst und Legende ab.
    Als Levi mir zusah, wie ich den zweiten Krug zerschmetterte, hatte er mich nicht gefragt, zu was ich mich unter den Scherben niederbeugte; ich sagte es ihm nicht und vermag es auch jetzt nicht mit letzter Sicherheit zu sagen. Immerhin war es, wie ich schon sagte, ziemlich dunkel. Aber was mit diesem ekelerregenden Schmatzlaut auf den Boden fiel, war eine menschliche Leiche. Was ich sah, und was ich jetzt auch berichten kann, war, daß die Leiche nackt war, männlichen Geschlechts und noch nicht voll ausgewachsen. Auch lag sie merkwürdig hingegossen auf dem Boden, wie ein Ledersack, den man seines Inhalts entleert. Ich meine, sie sah mehr als weich aus, erschlafft gleichsam, als hätte man sie all ihrer Knochen beraubt oder als hätten diese sich aufgelöst. Das einzig andere, das ich wahrnahm, war, daß die Leiche keinen Kopf hatte. Seit diesem Erlebnis ist es mir unmöglich gewesen,
    jemals wieder Feigen oder etwas mit Sesamöl Gebackenes zu essen.
    Am nächsten Nachmittag bezahlte mein Vater dem Wirte Ishaq die Zeche, und dieser nahm das Geld entgegen mit den Worten: »Möge Allah Euch mit Gaben überschütten, Scheich Polo, und möge er Euch jede Großmut hundertfach zurückzahlen.« Mein Onkel verteilte kleinere Münzen unter der Dienerschaft

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