Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
längst in den Fängen eines Zauberers verschwunden? Erlaubte der muslimische Unglaube -im Gegensatz zu der aufrechten christlichen Religion -Zauberern einfach, ihre bösen Künste unbelästigt auszuüben? Ich versuchte mir vorzustellen, was ein muslimischer Zauberer wohl mit einem eingekrugten Christen anfangen könnte. Hoffentlich kam ich nie dahinter! Ob mein Vater und mein Onkel wohl nach mir suchen würden, ehe sie davonsegelten? Ob sie mich wohl fänden, ehe der Zauberer es täte? Ob mich überhaupt irgendein Mensch fände?«
    Genau dies passierte in just diesem Augenblick -daß mich jemand fand. Ein schattenhafter Umriß -größer als der eines der Jungen -tauchte in der Tür auf. Dort verweilte er, als wartete der Betreffende, daß seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, und dann kam ei langsam auf den Krug zu, in dem ich steckte. Der Krug war groß und bauchig -und hatte etwas Unheilvolles. Mir war, als zöge ich mich im Krug zusammen oder als schrumpfte ich. Und wünschte, ich könnte mit dem Kopf einfach wegtauchen.
    Als der Mann nahe genug herangekommen war, erkannte ich, daß er Kleider im arabischen Stil trug, nur daß er das Kopftuch nicht mit einer Schnur festgebunden hatte. Er hatte einen struppigen rötlichgrauen Bart, wie eine Art Pilzwuchs, und
    anstarren tat er mich aus Augen, die dunkel leuchteten wie
    Brombeeren. Als er den traditionellen Gruß, Friede sei mir dir,
    aussprach, merkte sogar ich in meinem benommenen Zustand,
    daß er ihn ein wenig anders aussprach, als ein Araber es getan
    hätte. »Shalom aleichem!«
     
    »Seid Ihr der Zauberer?« flüsterte ich dermaßen verängstigt,
    daß ich es auf venezianisch sagte. Dann räusperte ich mich
    und wiederholte es auf sabir.
     
    »Sehe ich etwa wie ein Zauberer aus?« fragte er mit
     
    krächzender Stimme.
    »Nein«, flüsterte ich, obgleich ich keine Ahnung hatte, wie ein
    Zauberer aussehen müßte. »Ihr seht vielmehr aus wie jemand,
    den ich gekannt habe.«
     
    »Und Ihr«, sagte er spöttisch, »Ihr scheint Euch kleinere und
    immer kleinere Gefängnisse auszusuchen.«
     
    »Woher wißt Ihr...?«
    »Ich sah die drei kleinen mamzanm Euch hier hereinschieben.
    Und dieses Haus hier ist weithin berüchtigt.«
     
    »Ich wollte ja nur...«
    »Und ich sah sie ohne Euch wieder herauskommen, nur die
    drei. Ihr wäret nicht der erste blondhaarige und blauäugige
     
    Junge, der hier hereingekommen und nie wieder zum
    Vorschein gekommen ist.«
    »Gewiß gibt es hier nicht viele, deren Augen und Haar nicht
     
    schwarz sind.«
     
    »Richtig. Ihr seid eine Seltenheit in diesen Landen. Und das
    Orakel muß durch eine Seltenheit sprechen.«
    Mir schwirrte der Kopf schon genug. Ich glaube, ich habe ihn
     
    nur angeblinzelt. Er beugte sich zur Erde, so daß ich ihn eine
    Weile nicht sehen konnte, und als er dann wieder auftauchte,
    hielt er den Lederbeutel in der Hand, den Naser beim
    Fortgehen wohl hatte fallen lassen. Der Mann griff hinein und
    brachte eine Öltriefende Feige zum Vorschein. Ums Haar hätte
    ich mich erbrochen, als ich sie sah.
     
    »Sie finden einen solchen Jungen«, sagte er. »Sie bringen ihn hierher und tränken ihn mit Sesamöl und geben ihm diese Ölgetränkten Feigen zu essen. Nach vierzig Tagen und vierzig Nächten ist er so aufgeweicht wie eine Feige. Dermaßen mürbe geworden, daß man seinen Kopf für gewöhnlich ohne Schwierigkeit vom Körper abnehmen kann.« Er machte es mir vor, indem er die Feige in seinen Fingern drehte, bis sie mit einem leisen, kaum wahrnehmbaren Schmatzlaut in zwei Teile auseinanderging.
    »Aber wozu?« fragte ich atemlos. Mir war, als fühlte ich, wie mein Körper unter dem hölzernen Deckel immer mehr aufweichte und zu einer wachsweichen und knetbaren Masse wurde wie die Feige, daß er bereits tiefersackte und sich anschickte, sich mit einem schmatzenden Laut vom Hals mit dem Kopf darauf zu lösen und langsam in die Tiefe zu sinken, um auf dem Boden des Krugs zur Ruhe zu kommen. »Ich meine, warum einen Wildfremden töten -und noch dazu auf diese Weise?«
    »Er stirbt nicht daran -zumindest behaupten sie das. Es handelt sich um eine Art schwarzer Magie.« Mit diesen Worten ließ er den Beutel und die beiden Teile der Feige fallen und wischte sich die Finger am Saum seines Gewandes ab. »Der Kopf jedenfalls soll weiterleben.«
    »Was?« »Der Zauberer stellt den abgetrennten Kopf in die Wandnische dort drüben auf ein schönes Bett aus Olivenholzasche. Er verbrennt Weihrauch davor und

Weitere Kostenlose Bücher