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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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eine Erklärung bat, gaben sie mir zu verstehen, ich solle in den riesigen Krug hineinsteigen, und ich war zu berauscht, um zu protestieren. Wiewohl ich über die Absurdität meines eigenen Tuns lachte, ließ ich zu, daß die Jungen mir hinaufhalfen, so daß ich schließlich auf dem Rand des Kruges zu sitzen kam. Dort schwang ich die Beine hinüber und ließ mich in den Krug hinein.
    Erst als ich drinnen war, bemerkte ich, daß der Krug eine Flüssigkeit enthielt; ich hörte es nämlich nicht aufspritzen und verspürte auch keine plötzliche Kälte oder Nässe. Gleichwohl war der Krug mindestens bis zur Hälfte mit Öl gefüllt, welches nahezu Körpertemperatur aufwies, so daß ich vom Eintauchen kaum etwas merkte, bis mir das Öl am Hals stand. Es fühlte sich sogar recht angenehm an: erweichend und umhüllend, geschmeidig und beruhigend, besonders um die müden Beine herum und um das empfindlich freiliegende Geschlecht. Diese Erkenntnis erregte mich sogar ein wenig. Sollte es sich womöglich um ein Vorspiel zu irgendeinem sonderbaren und exotischen sexuellen Ritual handeln? Nun, bis jetzt empfand ich es jedenfalls eher als angenehm, und ich beklagte mich nicht.
    Nur mein Kopf schaute über den Rand des Krugs hinaus, auf dem auch meine Finger noch ruhten. Lachend schoben die Jungen die Hände weg und brachten dann etwas zum Vorschein, das sie in der Nähe gefunden haben mußten: einen riesigen runden Deckel mit Scharnieren daran, ähnlich dem übergroßen Halskragen eines Schandpfahls. Ehe ich Einwände erheben oder mich wegducken konnte, hatten sie mir das Ding um den Hals gelegt und geschlossen. Jetzt bildete es gleichsam den Deckel für den Krug, in dem ich stand, und wenn dieser auch nicht sonderlich beengend war -die Jungen hatten
    ihn so gut auf dem Krug befestigt, daß ich ihn weder
     
    verschieben noch in die Höhe heben , konnte.
    »Was soll das?« wollte ich wissen, als ich im Kruginneren mit
    den
     
    Armen herumfuhr und mich vergebens gegen den hölzernen
    Deckel stemmte. Dabei konnte ich meine Arme nur sehr
    verlangsamt im Krug bewegen, so wie es einem gelegentlich im
    Traum widerfährt; das lag selbstverständlich an der
    Dickflüssigkeit des warmen Öls . Schließlich erkannten meine
    verwirrten Sinne den Sesamgeruch dieses Öls. Genauso wie
    die Feigen, die man mir zuvor aufgenötigt hatte, sollte ich
    offenbar in Sesamöl eingelegt werden. »Was ist das?« rief ich
    wieder.
     
    »Va istadan!Attendez!« befahlen die Jungen und gaben mir
    durch ihre Gesten zu verstehen, ich solle still in meinem Krug
    stehenbleiben und abwarten.
     
    »Warten!« blökte ich. »Warten -worauf?«
     
    »Attendez le sortier!« sagte Naser kichernd. Dann liefen er und
    Daud durch das längliche Grau - die Tür -nach draußen.
    »Auf den Zauberer warten?« wiederholte ich verständnislos.
     
    »Wie lange denn warten?«
    Ibrahim verweilte noch lange genug, um ein paar Finger in die
    Höhe zu heben, damit ich sie zählen könne. Ich spähte durch
     
    das Dämmer und erkannte, daß er die Finger beider Hände
    gespreizt in die Höhe hielt.
    »Zehn?« sagte ich. »Zehn was?« Auch er schob sich zurück
     
    zur Tür, schloß die Finger zur Faust und ließ sie dann wieder
    hochschnellen -viermal. »Vierzig?« sagte ich verzweifelt.
    »Vierzig was? Quarante ä propos de quoi?«
     
    »Chihil ruz«, sagte er. »Quarante jours.« Damit entschwand er
    durch die Tür.
    »Vierzig Tage lang warten?« rief ich klagend, erhielt jedoch
    keine Antwort.
     
    Alle drei Jungen blieben verschwunden -und zwar ganz
    offensichtlich nicht nur, um sich vorübergehend vor mir zu
     
    verstecken. Sie hatten mich allein in dem Einmachkrug im Dunkeln und mit dem Geruch von Sesamöl in der Nase zurückgelassen -den abscheulichen Geruch von Feigen und Sesam noch im Mund, ich selbst noch in einem Wirbel von Verwirrung. Ich bemühte mich angestrengt zu überlegen, was das alles zu bedeuten hätte. Auf den Zauberer warten? Zweifellos handelte es sich um einen Jungenstreich, um etwas, das mit arabischen Sitten und Gebräuchen zu tun hatte. Der Wirt vom khane würde es mir hinterher zweifellos erklären und sich ausschütten vor Lachen über meine Leichtgläubigkeit. Doch bei was für einem Jungenstreich konnte man mich schon vierzig Tage hindurch eingekrugt lassen? Da würde ich ja das Schiff morgen verpassen und saß dann in Acre fest; Ishaq hätte dann reichlich Zeit, mir in aller Ruhe arabische Sitten und Gebräuche zu erklären. Oder wäre ich dann

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