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Marcos Verlangen

Marcos Verlangen

Titel: Marcos Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gambrinus
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versunken gewesen wie er und hatte die Welt um sich herum vollkommen vergessen.
    „Lass sehen“, forderte er sie auf und kam zu ihr hinüber.
    Ella hob abwehrend den Block hoch vor ihre Brust. „Nur, wenn ich heute auch mal deins sehen darf.“
    „Ich lasse mich nicht erpressen“, gab er mit leichtem Tadel in der Stimme zurück, doch er lächelte dabei.
    Sie gab nach. Eine Weile stand er da und sah sich ihre Zeichnung an. Schweigend und mit gerunzelten Stirn. Zwischen seinen Brauen hatte sich eine steile Falte gebildet. Dann schüttelte er den Kopf.
    „Sag mal – willst du mich verkohlen?“ Sein Ton hatte einen merkwürdigen Klang angenommen und sein Blick war unergründlich.
    „Wie bitte? Wie kannst du so etwas fragen? Was ist denn nur in dich gefahren? Du sagtest doch selber ‚zeichne irgendwas, was du hier drin siehst’ – ich habe dich gesehen, na und?“ Kopfschüttelnd stand sie auf. „Tut mir leid, ich dachte nicht, dass du so empfindlich bist. Das war weder anzüglich noch sonst irgendwie böse gemeint, und verkohlen wollte ich dich auch nicht damit. Aber kein Problem, wir können das hier auch ab morgen wieder bleiben lassen. Gute Nacht, Angelo.“
    Sie war schon fast an der Türe, als er aus seiner Erstarrung aufwachte.
    „Nein, warte, Ella, bitte!!“
    „Was?“ Unwirsch wandte sie sich noch einmal zu ihm. „Ich gehe jetzt essen. Soll ich Antonella sagen, dass du auch noch kommst oder willst du nichts mehr?“
    „Entschuldige bitte, ich wollte – ich komme mit, wenn du nichts dagegen hast!“
    Mit verständnislosem Achselzucken wandte sie sich nun endgültig zur Tür. Wenn er mitkommen wollte, na schön, sie hatte nichts dagegen, aber er sollte sie mit seinen absurden Ausbrüchen verschonen.
    In angespanntem Schweigen tappten sie über den Hof ins Haupthaus. Wie erwartet, saß Antonella in der gemütlichen Wohnküche vor dem Fernseher. Auf dem Tisch standen zwei Teller, auf dem Herd wartete ein großer Topf mit Risotto.
    „Ist leider etwas weich geworden“, entschuldigte sie sich bei den beiden und tat ihnen großzügige Portionen auf.
    Sie nahmen ihre Teller mit nach draußen. Während sie aßen, versuchte Angelo ihr zu vermitteln, was da gerade in ihm vorgegangen war. Seine Erklärung verblüffte Ella.
    „Deine Zeichnung hat mir beinahe den Boden unter den Füßen weggezogen. Und als ich dich fragte, ob du mich verkohlen willst, meinte ich damit eigentlich die Tatsache, dass du hier bei mir in einem Anfängerkurs sitzt und behauptest, du hättest keinerlei künstlerische Ausbildung oder Vorkenntnisse.“
    „Habe ich auch nicht! Ich habe nur immer schon gerne Kunstbücher gelesen und mir die Bilder darin angesehen“, beteuerte sie zwischen zwei Gabeln Reis. „Ich habe seit meiner Schulzeit keinen Pinsel mehr in der Hand gehabt!“
    Angelo schüttelte ungläubig den Kopf.
    „Wie dem auch sei – ich kann Talent erkennen, wenn ich es vor mir sehe und du hast zweifelsohne eine ganze Menge davon! Ich will ja nicht übertreiben, aber du besitzt die seltene Gabe, mit wenigen Strichen das Wesentliche darzustellen, und das auch noch auf eine unglaublich ansprechende Weise. Natürlich sieht man, dass dir die Übung fehlt, man sieht das an manchen kleinen Fehlern, die dir unterlaufen. An Fehlern in der Perspektive zum Beispiel, oder in den Proportionen oder einfach nur daran, dass du die eine oder andere Linie einfach ungelenk ziehst. Aber das ist alles ganz leicht mit etwas Training zu beheben.“
    Er war geradezu ins Schwärmen geraten. Ella hingegen konnte kaum glauben, was sie da hörte. Ausgerechnet sie sollte ein so besonderes Talent besitzen? Reichlich verblüfft hörte sie ihm weiter zu.
    „Wir machen das in Zukunft anders“, beschied er ihr nun. „Wir werden uns nach dem Kurs ganz auf dich und deine Fortschritte konzentrieren. Ich werde den Unterricht nachmittags um eine Stunde verkürzen, ich stelle sowieso fest, dass die Gruppe ab drei Uhr völlig die Konzentration verliert. Da sollen sie lieber nach draußen gehen und dort Skizzen und Studien anfertigen, das bringt ihnen mehr, als gähnend im Zimmer zu sitzen. Und du wirst dich ganz auf deine eigenen Übungen konzentrieren. Wenn du in vier Wochen von hier fortgehst, dann will ich dich auf einem ganz anderen Level haben!“
    Er klang mit einem Mal gänzlich anders, als Ella ihn bisher erlebt hatte – bestimmend und als ob er keinerlei Widerrede dulden würde. Sie widersprach auch nicht, sondern nahm schweigend ihre beiden

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