Maria, ihm schmeckts nicht!
allerdings nur unter
der Voraussetzung, dass man es niemandem
weitererzähle.
»Natürlich nicht.«
»Schwörren!«
Ein schöner Sommertag geht zu Ende. Morgen früh
werden Sara und ich verlobt nach Hause fahren.
Noch vier Monate, dann sind wir ein Ehepaar.
Zum Abschied sagt mein Vater: »Is’ ja ein komi-
scher Kauz, dein Schwiegervater. Aber von Wein
versteht er wirklich etwas.«
Zwei
Unsere Hochzeit ist ein Traum. Antonio hat sich da-
für einen Anzug gekauft, der aus einer schwarzen
Hose, einer schwarzen Jacke und einer lilafarbenen
Weste besteht, die von goldenen Fäden durchwirkt
ist. Dazu trägt er eine Fliege. Er sieht ein wenig aus wie ein Spielhallenchef aus Las Vegas und er benimmt sich auch so. Den ganzen Tag hat er, der sonst nie raucht, eine Zigarre im Mund und stellt sich allen Gästen ausführlich vor: »Marcipane, i binne de Vater von de schöne Braut hier. Darfe i fragene, wer Sie
denn sinde? Aha, muss i ja wisse, zahle die Rechnung.
Na ja, alle fur meine Schnucke.«
Beim Essen führt er die Hochzeitsgesellschaft in einen Brauch ein, von dem er behauptet, dass er in
seiner Heimat seit Jahrhunderten auf jeder Hochzeit üblich sei. Ich habe da so meine Zweifel, aber wer legt sich schon mit dem Brautvater an? Jedenfalls hält er bei Tisch eine kleine Rede, die außer seiner Frau und seiner Tochter nur noch ich, und das auch nur in Teilen, verstehe. Zum Abschluss der Brauch: »Wenne ei-
ner klingelte mit de Messer an der Glas, alle zusamme musse an der Glas klingele und das Brautepaar musse aufstehe und küssen. Dazu rufte man ›Cent’ anni‹ , was bedeutete, dasse die Verbindung, die glücklich machte uns alle hiere heute, soll bestehen fur undert Jahre.«
Dann klimpert er mit seinem Messer ans Glas, alle
anderen klimpern mit, wir stehen auf und küssen
uns, worauf er »Cent’ anni« ruft. Wir setzen uns wieder.
Drei Minuten später – ich habe gerade Saibling im
Mund – klimpert er abermals. Also das Ganze noch
mal. Nachdem er in der folgenden halben Stunde
sechs Mal cent’anni gemacht hat, bittet Sara ihn, damit ein wenig hauszuhalten, und er verspricht,
nur noch höchstens drei Mal in der Stunde zu
klimpern. Damit kann ich gut leben. Man heiratet ja meistens nur einmal im Leben. Die Nacht werden
wir übrigens wohlweislich nicht im selben Hotel wie Antonio verbringen. Es stört mich im Allgemeinen
nicht besonders, wenn Antonio um vier Uhr nachts
überprüft, ob wir die Fenster geöffnet haben. Aber in der Hochzeitsnacht muss das nicht sein.
Leider können Saras Verwandte aus Süditalien
nicht dabei sein. Zu weit, zu teuer, zu kalt. Sara ist natürlich enttäuscht. Schade, denke ich und öffne am nächsten Tag das Geschenk der Familie, dem ein
rosafarbener Brief beiliegt, den ungefähr zwanzig
Menschen unterschrieben haben. Die meisten heißen
Antonio und Maria. Unter sehr viel Holzwolle und
Seidenpapier kommt ein monströser Schwan aus
Porzellan zum Vorschein mit einem Loch im Rücken,
in das man Bonbons füllt.
»Ein ganz typisch italienisches Geschenk!«, jubelt
meine Frau. Menschen, die einem so etwas schenken,
muss man einfach kennen lernen.
Die Gelegenheit dazu ergibt sich im darauf folgen-
den Juni. Im Mai ruft Antonio an und lädt uns in sein Sommerhaus ans Meer ein. Dabei handelt es sich
natürlich nicht direkt um sein Sommerhaus, sondern um das eines Arbeitskollegen aus dem Stahlwerk.
Und genau genommen ist es auch kein Sommerhaus,
sondern das Elternhaus des Kollegen, welches in den Ferienmonaten vermietet wird. Antonio hat es im
Tausch für eine kleine Gefälligkeit billig bekommen.
Diese Gefälligkeiten kenne ich bereits, weil Antonio sie mir schon einmal angeboten hat.
Einmal sprach er mich leise von der Seite an:
»Brauchste du eine neue Fahrrad?«
»Nein, warum?«
»Musste du nich bezahle, machte die Versicherung
doch.«
»Warum sollte mir die Versicherung ein Fahrrad
kaufen?«
»Weil deine Rade leider verschwunde iste.«
Dann erklärte er mir, wie ein Rad verschwindet. To-
ni ist Schichtführer in einem Stahlwerk. Wenn man so alleine nachts am Hochofen steht, kann es leicht passieren, dass irgendetwas – hoppla – darin verschwindet. Ein Fahrrad zum Beispiel. Nach der Schicht muss man dann nur feststellen, dass das Rad nicht mehr
da ist, was ja eine Tatsache ist. Anschließend geht man zur Polizei und in null Komma nixe hat man ein
neues Fahrrad.
»Das ist Betrug«, sagte ich. Und dass ich mir selbst ein
Weitere Kostenlose Bücher