Maria, ihm schmeckts nicht!
halte. Ich glaube, Frösche halten sich die Bäuche vor Lachen, wenn ein Brustschwimmer an ihrer Seerose vorbeikommt.
Marco betört mich zunächst mit einer Demons-
tration seiner Kraulkunst, um dann kurz Rücken-
schwimmen darzubieten, und kommt schließlich
zum Brustschwimmen, welches ja soo einfach gehe.
Er legt sich dazu neben mich auf sein Badetuch, stellt seinen nicht unbehaarten Hintern aus und vollführt
Schwimmbewegungen, die ich ihm nachmachen soii.
Ich tue so, als hätte ich verstanden, und hole meine Videokamera, um ihn zu filmen. Er wehrt ab: Nein,
nein, ich solle schwimmen. Ich zeige auf mich und
halte die Kamera begeistert in die Höhe. Nachdem
ich ihn ungefähr zehn Minuten lang gefilmt habe,
wie er auf seinem Handtuch geschwommen ist,
entscheidet Marco, dass ich schwer von Kapee sei
und geht wieder zurück ins Meer, wo er mehrere
Gleichgesinnte findet. Manche von ihnen haben auch
zwei Beine wie er.
Aber die Sache lässt ihm keine Ruhe. Ein paar Mi-
nuten später steht er wieder vor mir und tropft mein Buch mit Salzwasser voll. »Und was machst du, wenn
du mal auf einem Schiff bist und das geht unter?«,
fragt er mich.
»Ich ertrinke. Aber du ertrinkst auch, nur später.«
Damit gibt er sich endlich zufrieden und stapft
wieder ins Wasser. Ich finde, Schwimmen ist öde und anstrengend. Seit meiner Schulzeit meide ich deshalb auch Freibäder. Einmal wurde ich vom Fußballverein
in ein Freibad verschleppt, in dem es von Riesen,
Wespen und Eispapierchen nur so wimmelte. Dabei
war ich im Fußballverein, weil ich mir eingebildet
hatte, dass dort Fußball gespielt würde. Ich tat, was ich bis heute tue, nämlich am Rand stehen und
gucken. Die Menschen im Freibad stanken nach Piz
Buin und pinkelten in das Wellenbad, was ich von
außen gut an ihrem Gesichtsausdruck erkennen
konnte. Auf den Sprungbrettern turnten kleine
Angeber herum und fabrizierten Arschbomben, bis
der Bademeister sie aus dem Wasser zog und nach
Hause schickte. Die Menschen bezahlten Geld dafür,
sich gegenseitig nass zu spritzen und warme Cola zu trinken. Während alle schwammen, sah ich Dinge,
die keiner sah: wie der Bademeister sich im Schritt kratzte, wie einer seine Hose verlor, wie unser
Fußballtrainer schöne Mädchen anstarrte und wie
einer sein Handtuch stahl. Hätte ich alles nicht
gesehen, wenn ich im Wasser herumgewühlt hätte.
Nichtschwimmer haben mehr vom Leben, sie sehen
die Welt, während die anderen bloß Wasser ins Auge
bekommen.
Marco bleibt hartnäckig. Während wir auf unseren
Handtüchern Melonen essen, die Antonio – neue Ge-
schäftsidee – vollständig entkernt hat, wofür er zwei Euro verlangt, fängt er wieder mit der Schwimmerei
an. Ich bin darauf gut eingestellt, denn es gibt praktisch kein Argument, das ich nicht schon hundert
Mal gehört habe.
»Du musst schwimmen lernen«, insistiert er.
»Warum?«
»Weil es Spaß macht.«
»Na und? Fensterscheiben einschmeißen macht
auch Spaß und trotzdem tut das keiner in seiner
Freizeit.«
»Dann eben nicht. Du weißt ja nicht, was dir ent-
geht.«
»Doch.«
Ich versuche gar nicht erst, einem Element zu trot-
zen, das ich ohnehin nie beherrschen könnte. Ich
werde nicht abgetrieben, weil ich immer festen
Boden unter den Füßen habe. Ich biedere mich nicht
den Quallen und Seeigeln an, die im Gegensatz zu
mir wie Meeresbewohner aussehen. Ich habe im
Wasser ebenso wenig verloren wie auf dem Mars.
Marco erzählt mir aufgeregt von Begegnungen mit
Muränen und Stachelrochen. Aber ich sage: »Vielen
Dank«, denn mir reichen die Silberfischchen in mei-
nem Badezimmer. Wenn ich mich umbringen lassen
will, muss ich nicht tauchen gehen, es reicht, wenn ich eine Autobahn mit verbundenen Augen überquere oder neben einem niederbayerischen Oktober-
festbesucher tief einatme. Ich finde Badehosen grässlich und Baggerlöcher auch. Und ich bin damit in
bester Gesellschaft.
Es hat nie einen afrikanischen Spitzenschwimmer
gegeben. Menschen mit dunkler Hautfarbe können
nämlich nicht schnell schwimmen. Bei den Olympi-
schen Spielen schwimmen immer nur Weiße. Es heißt,
die Farbigen hätten schwerere Knochen als andere.
Das glaube ich nicht. Ich glaube eher, die Afrikaner sind viel zu cool zum Schwimmen. Warum sollten sie
auch schwimmen, wenn sie die schnellsten Läufer der Welt sind. Es ist doch blöde, wenn sich acht erwach-sene Männer darin überbieten wollen, schnell zu
schwimmen, während ihre Trainer
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