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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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geflüchtet sind. Während das Bäumchen aus dem Auto gehoben, vors Haus getragen, begutachtet, in den Garten geschleppt, noch einmal begutachtet und schließlich auf den Balkon gehievt wird, bleiben die Türen offen stehen.
    Alles Weitere ist nur eine Sache des Mutes. Das ältere Ehepaar, das in ein reetgedecktes Haus in der Nähe der Dorfkirche St. Niels gezogen war, kannte ich übrigens schon. Die machten bereits auf Sylt Urlaub, als ich gerade der Brutkolonie den Rücken gekehrt hatte, um mein Leben in und über Westerland zu genießen. Ich kann mich noch gut an das Gekreische der Frau erinnern, als ich ihr zum ersten Mal einen Besuch in ihrer Küche abstattete, wo ein Fisch in der Pfanne schmurgelte. Fuhr mir der Schreck ins Gefieder, als sie zu schreien anfing! Kein Wunder, dass mein Magen-Darm-Trakt außer Kontrolle geriet. Und war es vielleicht meine Schuld, dass ich vorher stundenlang im Blaubeerfeld geschwelgt hatte? Auch dass ich erst im zweiten Anlauf die Terrassentür traf, lag nicht an meiner Orientierungslosigkeit, sondern an der schrillen Stimme der Frau, die schon im Zustand der Friedfertigkeit schwer zu ertragen war. Auf dem Gartenzaun musste ich mich erst mal von dem Gezeter erholen. Von dort konnte ich auch beobachten, wie sie die Bilder wieder gerade hängte, an dem Teppichboden herumschrubbte und sich so laut über die violetten Flecken aufregte, dass der Pfarrer von St. Niels erschien, um seelischen Beistand anzubieten. Allerdings zog er sich schnell wieder zurück, nachdem er aufgefordert worden war, die Möwenscheiße zu entfernen, statt darauf zu warten, dass sie durchs Vaterunser von selbst verschwand.
    Ihr Mann stellte sich sogar auf meine Seite. »Wärst du nicht auf die Möwe losgegangen, hätte sie nicht die Nerven verloren.«
    Doch das kam gar nicht gut an. »Hilf mir lieber, statt Sprüche zu klopfen! Aber du bist ja zu faul, deinen Hintern zu heben.«
    Das war eine ihrer harmlosesten Antworten. Die anderen habe ich nicht verstanden, sie schienen aber direkt ins Zentrum der männlichen Ehre gezielt und auch getroffen zu haben. Trottel, Weihnachtsmann, Schnarchzapfen, Niete … solche hässlichen Wörter fielen. Eine wirklich unangenehme Person! Dass der Mann es immer noch mit ihr aushält, ist mir unbegreiflich. Wie gesagt, seit Jahren kommen die beiden nach Sylt und gönnen sich während ihres Urlaubs kein freundliches Wort. Weihnachten ist es besonders schlimm. Schon im letzten Jahr waren die beiden von Heiligabend bis Silvester so schlecht gelaunt, dass es kaum auszuhalten war. Er hatte angeblich ein Weihnachtsgeschenk für sie gekauft, das es im Sonderangebot gegeben hatte, während sie das Teuerste ausgesucht hatte, was die Sansibar-Boutique zu bieten hatte.
    »Von meinem Geld«, hatte der Mann erwidert. »Da lässt sich gut großzügig sein.«
    Hätte er bloß seinen Mund gehalten! Zwar konnte ich mich, während sie ihm lang und breit von den Mühen des Hausfrauenlebens erzählte, in aller Ruhe über das Weihnachtsgebäck hermachen, das in der Nähe der geöffneten Balkontür stand, aber bei dem Gekeife ging es mir quer runter. Und als der arme Mann kurz darauf unter den Verdacht geriet, das Gebäck heimlich gegessen zu haben, das sie sogar noch in der heimischen Küche hergestellt hatte, tat er mir leid. Ich wünschte ihm ein Paar Flügel, so dass er einfach abheben und seiner Frau auf den Kopf … na, Sie wissen schon.
     
    Sylter Rundschau, 18 . 12 .
    Die Touristen, die die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel auf Sylt verleben, werden dringend gebeten, geöffnete Fenster und Türen zu beaufsichtigen, um Möwen das Eindringen zu verwehren, besonders wenn kleine Kinder im Haus sind. Die Möwen stürzen sich auf alles, was essbar ist. Es kommt immer häufiger vor, dass die Tiere in Wohnhäuser eindringen. Sollte das geschehen sein, wird geraten, den Möwen in der Nähe der Tür etwas Essbares vorzuwerfen, damit sie die Wohnung wieder verlassen. Und bitte schreien oder verfolgen Sie das Tier nicht. Eine Möwe, die sich bedrängt fühlt, wird äußerst aggressiv, erst recht, wenn sie die Orientierung verliert und den Ausgang nicht auf Anhieb findet. Und wieder fragen die Sylter Naturschützer: Wann wird die Verwaltung endlich aktiv und verbietet das Füttern der Möwen?
     
    Ein paar Tage vor Weihnachten, und die Terrassentür stand weit offen. Wie eine Einladung zum vorgezogenen Heiligabend! Die Frau war gerade mit einer Einkaufstasche losgezogen, natürlich nicht, ohne

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