Maria, Mord und Mandelplätzchen
ihrem Mann vorher zuzurufen, er könne auch mal die Lebensmittel besorgen, immer müsse sie sich abschleppen, aber er meinte, es reiche ja schon, wenn er das Geld verdiene.
Ich ließ mich am Rande der Blumenbeete nieder und stellte erfreut fest, dass der Mann auf die Terrasse trat. Wahrscheinlich wollte er heimlich eine Zigarette rauchen, weil er die fünf, die ihm seine Frau täglich zubilligte, bereits inhaliert hatte. Das war schade, denn er blieb dann immer in der Nähe der Tür stehen und würde mir den Weg in die Küche versperren.
Doch was war das? Diesmal schien er nicht ans Rauchen zu denken. Er zog sich sogar seine dicke Jacke über, während er sonst immer mit der Zigarette in der Hand frierend von einem Bein aufs andere trat und die Ermahnungen seiner Frau, er würde sich den Tod holen, in den Wind pustete. Nun aber kam er in den Garten und sah sich aufmerksam um. Er schien mich gar nicht wahrzunehmen. In seinem Gesicht stand ein Ausdruck, den ich sonst nur bei Menschen gesehen habe, ehe sie die Flinte auf eine zutrauliche Möwe anlegten. Im November waren am Strand von Westerland tatsächlich einige Jäger aufgetaucht und hatten versucht, der Möwenplage, wie sie es nannten, auf ihre Weise Herr zu werden. Aber zum Glück war das strengstens untersagt worden. Die Sylter Weihnachtsurlauber sollten nicht durch Gewehrsalven und erst recht nicht durch Möwenkadaver erschreckt werden, die ihnen auf der Kurpromenade vor die Füße fielen.
Der Mann sah sich erneut prüfend um, blickte zu den Balkons und Fenstern der Nachbarhäuser, als wollte er sichergehen, dass er unbeobachtet blieb, und näherte sich dabei unauffällig dem Blumenbeet am Ende des kleinen Gartens. Derart unauffällig, dass es sogar mir auffiel, obwohl Silbermöwen eigentlich nur darauf aus sind, sich möglichst schnell, bequem und umfangreich zu ernähren. Sensibilität, Umsicht, Uneigennützigkeit … so was macht einen nicht satt.
Ich flatterte Richtung Terrassentür, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Das war dumm von mir, ich wusste es. Vernünftiger wäre es gewesen, mich schnurstracks in die Küche zu begeben, mir zu schnappen, was auf dem Küchentisch stand, und schleunigst zu verschwinden. Aber ich konnte den Blick einfach nicht von dem Mann und seinem merkwürdigen Verhalten abwenden.
Noch einmal sah er sich vorsichtig um, dann holte er ein Paar Handschuhe aus der Jackentasche und zog sie an. Bedächtig neigte er sich zu einer Pflanze herab und betrachtete sie eingehend. So, als überlegte er, ob es Sinn mache, sie zu beschneiden, damit sie im Frühjahr besonders kräftig ausschlug.
Nun wurde mir die Sache langweilig. Ich hüpfte auf die Terrassentür zu und spähte in die Wohnung. Auf dem Küchentisch sah ich nichts Essbares, auf der Anrichte auch nicht, und sämtliche Schranktüren waren geschlossen. Sehr ärgerlich!
Aber so leicht gab eine Silbermöwe nicht auf! Ich hüpfte zurück und wunderte mich ein wenig, dass der Mann mich noch immer nicht zur Kenntnis nahm. Er konzentrierte sich derart auf diese Pflanze, dass er alles um sich herum zu vergessen schien. Vielleicht ging er gleich zurück in die Küche und kümmerte sich um eine kleine Zwischenmahlzeit, um seiner Frau ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern? Darauf wollte ich noch warten. Geöffnete Terrassentüren waren in der Zwischensaison ohnehin selten genug, so dass man sie unbedingt im Auge behalten musste.
Vorsichtig grub der Mann nun die Pflanze aus, streckte die Wurzeln weit von sich und betrachtete sie, obwohl er sie sicherlich genauer hätte in Augenschein nehmen können, wenn er sie dichter vors Gesicht gehalten hätte. Man konnte meinen, diese Pflanze sei etwas sehr Kostbares, so vorsichtig und respektvoll ging er mit ihr um. Er ließ sie nicht aus dem Blick, während er zur Mülltonne ging und den Deckel aufklappte, schloss dann aber ängstlich die Augen, während er die Stiele abbrach und den Deckel der Mülltonne herabfallen ließ, als sollte niemand sehen, was er dort entsorgt hatte.
Dann nahm er die Wurzeln in beide Hände und trug sie feierlich in die Küche. Er hatte mich noch immer nicht bemerkt, obwohl er nur wenige Meter an mir vorbeigegangen war. Er hatte nur Augen für diese komische Wurzeln, die keinerlei Geruch ausströmten und mich deshalb kein bisschen interessierten.
Gelangweilt schlug ich mit den Flügeln und wollte mich gerade in die Lüfte erheben, da sah ich, dass der Mann eine Schranktür öffnete und eine Dose herausnahm. Mir
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