Mariana: Roman (German Edition)
zurechtkommst. Wie kommst du also zurecht?«
»Ganz gut, danke. Die meisten Räume im Erdgeschoß habe ich soweit eingerichtet.«
»Es sieht schon sehr gut aus.« Er ließ seinen Blick durch das sonnige, geräumige Zimmer schweifen. »Das ist wirklich ein wunderbares Haus. Ich bin einigermaßen beeindruckt. Veranstaltest du jetzt den großen Rundgang für mich, oder«, er sah auf den geschirrbeladenen Couchtisch, »muß ich dir zuerst beim Abwaschen helfen?«
Ich versicherte ihm, daß der Abwasch warten könne, und begann mit dem Rundgang in dem Raum, in dem wir saßen.
»Also, das ist, wie du siehst, das Wohnzimmer. Ich will noch einen größeren Teppich kaufen, um diesen Boden zu schonen, und die Vorhänge müssen natürlich weg …«
»Ich verstehe, was du meinst.« Tom betrachtete das grelle Blumenmuster des Chintzstoffes. »Aber die Fenster selbst sind schön. Und der Kamin gefällt mir besonders. Was ist dahinter?« Er deutete auf eine Verbindungstür in der gegenüberliegenden Wand.
»Das Eßzimmer.« Ich führte ihn hinein.
»Julia!« In der Stimme meines Bruders schwang Bewunderung. »Wo in aller Welt hast du diesen Geschirrschrank her?«
»Das ist ein tolles Stück, oder? Er war im Kaufpreis des Hauses enthalten.«
Der Geschirrschrank stammte aus der späten viktorianischen Zeit, war aus massivem Walnußholz und beinahe zwei Meter siebzig hoch, so daß er an den Verputz der Eßzimmerdecke reichte. Ich vermutete, daß er nur deshalb im Preis des Hauses inbegriffen gewesen war, weil man einen Kran gebraucht hätte, um ihn von der Stelle zu bewegen. Dieses eine Möbelstück beherrschte den Raum so völlig, daß man das Fehlen von Tisch und Stühlen kaum bemerkte.
Zu beiden Seiten des Schrankes gingen hohe Fenster auf die rückwärtige Rasenfläche hinaus, was den Eindruck stattlicher Eleganz noch verstärkte.
Vom Eßzimmer gelangten wir durch eine Schwingtür in die saubergeschrubbte und spartanisch eingerichtete Küche mit der altmodischen Speisekammer, und danach kamen wir durch den schmalen Flur in die holzgetäfelte Diele. Nach einem kurzen Abstecher in das Studierzimmer, in dem Tom sich am liebsten für den Rest des Tages niedergelassen hätte, hätte ich ihn nicht weitergezogen, stiegen wir die gewinkelte Treppe zum ersten Stockwerk hinauf.
»Hier oben habe ich noch nichts gemacht, seit ich eingezogen bin«, warnte ich ihn, »deshalb herrscht in einigen Zimmern noch etwas Durcheinander. Nur damit du nicht zuviel erwartest.«
»Verdammt seien diese Decken.« Tom hatte sich zu spät gebeugt und rieb sich den Hinterkopf, als er den Treppenabsatz erreichte. »Sind ja für Zwerge gemacht. Wie viele Zimmer hast du oben?«
»Vier. Aber ich nutze nur zwei davon. Diese beiden«, ich zeigte auf die geschlossenen Türen zu unserer linken, »dienen im Moment bloß als Abstellräume.«
»Sehr vernünftig.« Neugierig wie immer steckte Tom seinen Kopf in eines der Zimmer und sah sich um. Es war ein langgestreckter, schmaler Raum, der von meinem Schlafzimmer durch die Dachbodentreppe hinter der Wand am anderen Ende getrennt war. Das Licht, das durch die beiden symmetrisch angeordneten Fenster hereinfiel, wurde teilweise von den Ästen eines Birnbaumes gefiltert, der dicht an der Vorderseite des Hauses wuchs. Der andere Raum nahm die vordere Südecke ein, und der Umstand, daß er nur ein Fenster hatte, wurde durch das Vorhandensein eines weiteren Kamins wettgemacht.
»Du wirst lernen müssen, Holz zu hacken, meine Liebe«, bemerkte mein Bruder, und ich zog eine Grimasse.
»Vergiß es, Tom. Du hast mich schon einmal ein Feuer anzünden gesehen. Das ganze Haus würde wie eine Leuchtkugel in Flammen aufgehen.«
Tom grinste und beugte sich vor, um die Schnitzerei der hölzernen Kamineinfassung genauer zu betrachten. Ich ließ ihn dort zurück und ging weiter zur nächsten Tür, die zu dem kleinen, auf der Rückseite gelegenen Eckzimmer gehörte, das ich zu meinem Atelier bestimmt hatte. Ich hatte mir bisher noch nicht die Mühe gemacht, nach meinen Materialien und Arbeitsgeräten zu sehen, da ich beschlossen hatte, in der ersten Woche noch nicht an Arbeit zu denken, aber plötzlich kam mir der Gedanke, daß ich Tom, wo er nun gerade einmal da war, vielleicht überreden konnte, mir beim Aufbauen des Zeichentisches zu helfen.
Normalerweise war ich nicht gerade unfähig, was gängige technische Probleme betraf, aber dieser besondere Zeichentisch – von einem sadistischen schwedischen Designer entworfen –
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