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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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das Haus richtig von innen zeigen zu lassen. Ich ging weiter zu dem malerischen, überdachten Holztor, das ich schon zuvor bewundert hatte, drückte einen schwingenden Torflügel auf und betrat den stillen Friedhof.
    Es gibt wenige Orte in England, die so friedlich oder seltsam schön sind wie ein Dorffriedhof, wo der Efeu sich üppig in schattigen Ecken rankt und um verwitterte Grabsteine windet, deren Inschriften nach unzähligen Jahren unter dem Einfluß von Sonne und Regen kaum noch lesbar sind. Viele der Grabsteine hier neigten sich in einem bedenklichen Winkel nach vorn oder zur Seite wie betrunkene Wächter. Manche waren ganz umgefallen, und man hatte sie vorsichtig von ihrem Standort entfernt und gegen die äußere Kirchenmauer gelehnt.
    Die Kirche selbst war klein und einfach, ein trutziges Gebäude aus sonnengebleichten Steinen, das von einem quadratischen, mit zinnenartigen Ornamenten versehenen Turm gekrönt wurde. Ein verblichenes, handgeschriebenes Plakat verkündete, daß es sich um St. John handelte, wo sonntags und Mittwoch abends Gottesdienste abgehalten wurden. Ein leichter Stoß gegen die dicke Eichentür genügte, und sie schwang zuvorkommend an ihren eisernen Angeln auf und gab ein genauso schlichtes Inneres preis, das dennoch den Eindruck einer erhabenen Weiträumigkeit vermittelte. Die späte Nachmittagssonne strömte durch die Buntglasfenster hinein und tauchte die kahlen Steinwände in ein warmes, intensives Licht.
    Meine Schritte hallten ungewöhnlich laut, wie ein neuzeitlicher Mißklang an diesem friedvollen, heiligen Ort, als ich langsam zum Mittelpunkt der Kirche schritt und dabei die ehrwürdigen Namen auf den rechteckigen Steinplatten unter meinen Füßen las: Staynor, Alleyn, Hatch, de Mornay …
    Ein lautes, explosionsartiges Geräusch ließ mich erschreckt herumfahren, und ich fühlte mein Herz wie wild gegen meinen Brustkorb hämmern. Es war nur eine Taube, die einen kurzen Moment lang hinter dem Gitter des Lettneraltars gefangen war und panikartig mit den Flügeln geschlagen hatte, bevor sie sich befreien konnte und sich hastig durch die halb geöffnete Tür aus dem Staube machte.
    Mein Herz schlug langsam wieder normal, doch behielt ich ein leichtes Schwindelgefühl und ein dumpfes Klingen in meinen Ohren zurück, als ob ich gleich in Ohnmacht fallen würde. Das sonnendurchflutete Innere der kleinen Kirche wirkte auf einmal so muffig und beklemmend wie eine Grabkammer, und ich taumelte zurück nach draußen, wo ich die Luft in tiefen, unregelmäßigen Zügen einsog.
    In meiner Verwirrung kehrte ich der Hauptstraße den Rücken und fand mich auf einem schattigen, unbefestigten Weg wieder, der von riesigen Buchen mit überhängenden Ästen flankiert war, deren Blätter sacht im Wind rauschten. Mein Gesicht war feucht von Schweiß, und ein stetig stampfendes Geräusch übertönte das Klingen in meinen Ohren, als ich erschöpft innehielt und mich mit ausgestreckter Hand an einem der rissigen Baumstämme abstützte. Das Stampfen wurde immer lauter, rhythmischer, bis es schließlich als das Geräusch von Pferdehufen auf dem festgetretenen Erdreich zu erkennen war. Als ich aufblickte, sah ich ein einzelnes Pferd und seinen Reiter näherkommen. Ein graues Pferd, das einen hochgewachsenen Mann in dunkler Kleidung trug.
    Ich blinzelte, das Bild vor meinen Augen verschwamm, und die Farbe des Pferdes veränderte sich, es war jetzt nicht mehr grau, sondern kastanienbraun, mit dunkel fließender Mähne und ebensolchem Schweif. Der Mann im Sattel veränderte sich ebenfalls, doch eher unmerklich, wie auf einer Töpferscheibe geformter Ton, und seine Umrisse in dem gefleckten Schatten des Weges waren nur undeutlich erkennbar. Sie kamen immer näher, und immer noch bewegte ich mich nicht und sprach nicht, stand wie festgewachsen auf der Stelle und glotzte wie der Dorfidiot.
    Näher und näher kam die gespenstische Erscheinung, bis das Pferd plötzlich vor mir zum Halt gebracht wurde. Ich blickte auf. Die Sonne stand genau hinter dem Reiter. Durch die Bäume gefiltert, bildeten ihre Strahlen eine Art blendenden Ring um den dunklen Kopf des Mannes, und ich erahnte sein Lächeln mehr, als daß ich es sah.
    »Hallo«, sagte er. »Sie müssen meine neue Nachbarin sein. Ich bin Geoffrey de Mornay.«
    Ich vergaß vorübergehend die Regeln der Etiquette. Ich hob meine Hand, lächelte zu ihm hinauf und fiel prompt vor den Hufen seines Pferdes in Ohnmacht.

Kapitel fünf
     
    Unser Zusammentreffen,

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