Mariannes Traenen
Dienstmädchen. Sie machte einen g raziösen Knicks und wandte sich zum Gehen. Aber ihre Mutter reagierte nicht. Sie starrte nur auf den Bildschirm vor ihr, als ob es dahinter noch etwas anderes zu sehen gäbe, als einen Zimmerbelegungsplan. Kathrin zuckte mit den Schultern, seufzte und ging davon, um die Zimmer zu richten.
Nein, Marianne hatte es sich anders vorgestellt. Nach Max hatte sie zwar ein paar flüchtige Affären gehabt, aber da war es ihr nicht um Sex gegangen. Da hatte sie nur einfach nochmal jemanden in ihrer Nähe spüren wollen. Mit Walter dagegen … Er hatte ihr vom ersten Moment an gefallen. Mit ihm könnte es vielleicht mehr werden, hatte sie gehofft. Und er war schön. Er war ein schöner Mann, und sie begehrte ihn. Nach drei Jahren begehrte sie zum ersten Mal wieder einen Mann. Sie hatte ihn beim Tennis getroffen. Ein Mann, der sein Geld ohne weiteres auch als Model verdienen könnte. Doch er war Buchhalter. Finanzdirektor eines Freizeitunternehmens, wie er sagte. Groß war er, dunkle Haare, blaue Augen, athletisch und durchtrainiert, mit breiten Schultern und einem echten Sixpack am Bauch. Ein Lächeln wie ein Filmstar. Und einen hinreißenden Dreitagebart. Für eine Saison würde er hier in Hoch-Tannau bleiben, für irgendein Projekt seines Chefs.
Er hatte einen Gegner beim Tennis gesucht – und sie hatte ihn geschlagen. Das hatte ihr gefallen: Sie schlug ihn zu Null beim Tennis, und er lächelte, blieb höflich und charmant, bewahrte Haltung. So ging das mehrere Male. Und gestern – gestern hatte er sie vor dem Spiel auf etwas zu trinken eingeladen. Und während sie bei Bitter-Lemon und Mineralwasser zusammen saßen, begann er ganz unverhohlen, mit ihr zu flirten. Natürlich hatte ihr das geschmeichelt. Immerhin war er um einiges jünger als sie, vielleicht Mitte dreißig, und sie war schon vierundvierzig. Und dann machte er aus heiterem Himmel diesen seltsamen Vorschlag mit der Wette.
„ Welcher Teufel hat mich geritten, darauf einzugehen?“, fragte sie sich laut und schüttelte den Kopf. Ein Match über drei Sätze, und der Gewinner würde mit dem Verlierer einen ganzen Abend lang machen können, was immer er wollte. Sein Eine-Million-Dollar-Lächeln hatte sie entwaffnet, und sie hatte eingewilligt. Was konnte schon passieren? Die Vorstellung, einen Abend lang mit diesem Adonis machen zu können, wonach immer ihr der Sinn stand, hatte ihr gefallen. Es hatte ihr geschmeichelt, daß er sich ihr so ausliefern wollte. Schließlich würde sie ihn auch heute wieder in Grund und Boden spielen, soviel war klar.
Doch auf dem Platz hatte sie schon nach wenigen Aufschlägen gemerkt, wie verbissen er versuchte, das Match zu gewinnen. Eigentlich hatte er keine Chance, sie zu schlagen; seine Technik war nicht gut genug. Aber er lief nach jedem noch so hoffnungslosen Ball, und es war unverkennbar, daß er dieses Spiel um jeden Preis für sich entscheiden wollte. Begehrte er sie so sehr? Wollte er sie so sehr für einen Abend als gefügige Gespielin gewinnen? Auch der Gedanke hatte ihrem Ego gefallen.
„Welcher Teufel hat mich geritten, darauf einzugehen ?“, fragte sie sich erneut und vergrub das Gesicht in ihren Händen. Mitten im zweiten Satz hatte sie dann aus einer Laune heraus beschlossen, absichtlich zu verlieren. Am Ende war es ja nur ein Spiel, und es gefiel ihr, daß ein so schöner und attraktiver Mann sie so unbedingt erobern wollte. Schließlich hatte er das Match mit zwei zu eins nach Sätzen gewonnen. Für einen kurzen Moment glaubte sie, in seinem Gesicht Erleichterung zu sehen, und nicht den Triumph oder die Freude, mit der sie gerechnet hätte. Doch es währte nur einen Augenblick: Da war es wieder, dieses unwiderstehliche Eine-Million-Dollar-Lächeln. Und doch klang es fast ein wenig schüchtern, als er sie am Netz gefragt hatte: „Heute abend gehören Sie mir?“ Und sie hatte das Schulmädchen gespielt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und mit kokettem Augenaufschlag bejaht. „Wie versprochen: Heute Abend werde ich ganz brav sein und Sie dürfen alles mit mir tun, was Sie wollen.“
E r war bezaubernd gewesen, galant, charmant, durch und durch Kavalier der alten Schule. Den ganzen Abend hindurch hatte er sie hofiert, als er sie in die Glocke in Nieder-Tannau zum Essen ausführte. Ein sehr nobles Restaurant. Er hatte noch nicht einmal dulden wollen, daß sie auch nur das Wort an den Ober richtete; das sei seine Sache, schließlich gehöre sie heute abend ihm
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