Mariannes Traenen
wohl sein, was müßte er tun? Sie ist stärker als du. Die Erkenntnis durchlief Andreas wie ein kalter Schauer. Diese Frau ist anders als Nathalie. Sie kann mir nie und nimmer gehören, dachte er panisch und konnte ihrem Blick nicht länger standhalten. Aber wenn... Wenn ich diese Frau besitzen könnte... Die bloße Vorstellung, Herr über Leid und Lust einer solchen Frau zu sein, wollte ihm schier den Verstand rauben. Sein Blick kehrte zurück von ihrem Körper, von der nackten Scham, dem verlockenden Venushügel, ihren kleinen, festen Brüsten, dem schlanken Hals in seiner groben Fessel, zu ihrem klugen und wachen Gesicht. Er war gefangen von ihren Augen. Doch er hatte in diesem Moment den Eindruck, als sähe er in ihrem Blick Geringschätzung, Verachtung für seine männliche Unzulänglichkeit, und zugleich eine seltsame Enttäuschung...
Niemandsland (Trilogie „Niemandsland“)
Sechs Jahre sind inzwischen vergangen, seit Andreas und Valentina sich kennengelernt haben. In Giannis abgelegenem Wochenendhaus, tief in den Apuanischen Alpen. Valentina hat ihren Beruf weitgehend aufgegeben und widmet sich neben dem Haushalt nur noch ihrer Glasbläserei. Eva steckt mitten in der Pubertät, und das Verhältnis zu Valentina ist entsprechend angespannt. Eigentlich hatte Andreas gehofft, bei einem Urlaub in den Cevennen würden sich die Dinge etwas beruhigen. Bis dort unerwartet sein Freund Gianni auftaucht - mit einer beunruhigenden Nachricht. Es geraten Dinge ins Rollen, die Andreas Schritt für Schritt begreifen lassen, was Valentina dunkles, streng gehütetes Geheimnis ist, und warum sie nie über die Zeit vor ihm reden wollte. Am Ende ist es Gianni, der sich als echter Freund erweist und den beiden den Weg ebnet zu einer gemeinsamen Zukunft.
***
...Er wird streng zu mir sein, dachte sie. Er hat es angedeutet, und normalerweise setzte er diese leisen Ankündigungen auch in die Tat um. Valentina sah versonnen in die Landschaft. Die Sonne stand hoch am Himmel, der jedoch nicht so strahlend blau war wie gestern. Ein dünner Schleier lag in der Luft. In Ihrem Unterleib spürte sie eine diffuse Angst und Beklommenheit, wenn sie an das dachte, was noch am selben Tag unweigerlich auf sie zukommen würde. Sie würde seine Füße küssen zum Zeichen der Ergebenheit. Er bestand auf dieser Geste. Vor ihrem Auge stahlen sich Bilder vorbei, der Griff der Reitgerte in seiner sehnigen Hand, direkt vor ihren Augen, wenn sie kniete und er um sie herumging, das Ende der Leine, an der er sie halten würde, vielleicht würde er sie auch anketten, aber sie hoffte inständig, daß er sie halten würde. Es machte einen Unterschied, ob ihr Halsband mit einer Kette an einem Ring in der Wand befestigt war, oder ob sie den Zug seiner Hände darin spürte. Vor allem, wenn sie seinem Geschlecht ihren Mund darbot, machte es einen gewaltigen Unterschied. Wenn er sie hielt, wenn sie den fordernden Zug spürte, kurz bevor er ihren Mund mit dem salzigen Geschmack der Macht erfüllte, die sie ihm über sich eingeräumt hatte, dann – so paradox es ihr selbst immer wieder erschien – fühlte sie sich geborgen, beschützt. Es war ihr nicht möglich, das genau zu erklären. War sie jedoch nur an einen Ring in der Wand gekettet – und sie empfand es als ein nur – dann war sie nur eine Sklavin, eine unter vielen, verfügbar und ohne eigenen Wert. Die Kette an ihrem Hals nötigte sie dann nur noch zum Gehorsam. Sie hätte auch gleich eine Nummer um den Hals tragen können. Manchmal machte er das mit ihr. Ein kreisrundes, weißes Emailleschildchen mit einer schwarzen, seltsam altertümlichen Nummer darauf, wie von einem Hotelschlüsselregal der Vorkriegszeit. Von dem er ihr allerdings nicht verraten wollte, wo es wirklich herstammte. So wie sie ihm nicht verraten hatte, daß sie schon einmal eine Nummer getragen hatte, dieser nicht ganz unähnlich...
Zwei Jahre
Zwei Jahre lang hatte sie widerstehen können, doch nun ist Angelika rückfällig geworden und hat an einem Nachmittag das gesamte, bescheidene Erbe ihres Vaters verspielt. Wütend, verzweifelt und enttäuscht entschließt sich ihr Mann Friedrich zu einer drastischen Maßnahme: Nach zwanzig Jahren Ehe setzt er seine Frau kurzerhand vor die Tür. Er gibt ihr auf den Tag genau fünf Jahre Zeit, die verspielte Summe wieder zu verdienen; das entspricht gerade seiner Sparleistung als Leitendem Angestellten. Schafft Angelika es nicht, wären sie für immer geschiedene Leute.
Doch sie war zu lange
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