Marienplatz de Compostela (German Edition)
wissen … ich hatte Anne Blohm unter der Prämisse eingestellt, einmal die Gesamtgeschäftsführung zu übernehmen. Sie sollte an meine Stelle treten.«
Lara war in der Tat überrascht. Das hätte Siebl ja nun gar nicht passen können. »Mhm. Das ist in der Tat interessant. Was ist unter Gesamtgeschäftsführung zu verstehen?«
»Unser Unternehmen vereint mehrere Firmen «, er unterbrach und kicherte wieder, »hihihihi … also Unternehmen, die im sozialintegrativen Bereich aktiv sind.«
»Im Bereich der Hilfsindustrie also. Segelausflüge in der Karibik für Räuber, Abenteuerurlaub in Finnland für Seriengewalttäter, Schreinern an der Algarve für die kleineren Kriminellen und Junkys.«
Schott öffnete seinen Mund und spöttelte: »Badeausflüge in die Karibik für Vergewaltiger.« Er sah seine Frau mit gespielter Fassungslosigkeit an: » Hilfsindustrie!? Hast du dieses Wort gehört, Martha – Hilfsindustrie!? Gut klingt das nicht, finde ich. Aber wie auch immer. Wir leisten einen wichtigen Beitrag für die Stabilität dieser Gesellschaft und kümmern uns mit durchweg professionellem Ansatz um unsere Klienten. Dabei stehen wir in direkter Konkurrenz zu staatlichen Einrichtungen sowie denen der Diakonie und Caritas. Es ist aber kein Schaden, diese Thematik auch ökonomisch anzulegen, denn das tun alle anderen auch, gleich, wie viel Verve sie darauf verwenden, ihren moralischen, ethischen oder religiösen Auftrag in den Vordergrund zu stellen.«
Lara Saiter schmunzelte. »Das Land Berlin gibt jährlich alleine über vierhundert Millionen Euro für solche Projektarbeit aus, hier in München mag es weniger sein, aber – insgesamt betrachtet handelt es sich ein Milliardengeschäft. Da wird sich schon etwas verdienen lassen.«
Martha Schott lachte ihren Mann aus. »Lass es einfach sein, dich als Gutmenschen präsentieren zu wollen. Sie kennt die Materie so gut wie wir.«
Schott hob entschuldigend die Hände. »Zurück zum Thema also. Anne Blohm sollte die Unternehmen führen, das war ausgemacht. Nach ihrer Auszeit sollte sie das in die Hände nehmen.«
Lara Saiter beugte sich nach vorne, so sehr verwunderte sie Schotts Aussage. »Könnten Sie das bitte erläutern? Wie meinen Sie das – nach ihrer Auszeit.«
Schott wies mit den Händen auf Lara Saiters Platz. »Da hat sie gesessen! Da hat sie gesessen und wir haben über ihre Zukunft geredet. Ich war schockiert, als ich erfuhr, sie wolle uns verlassen.« Er sah seine Frau an, die ihm mit einem dezenten Nicken zustimmte.
»Ich wollte sie doch nicht gehen lassen, wegen dieses schlimmen Kerls und seinem schrecklichen Benehmen. Wir haben alles besprochen und uns geeinigt.« Schotts Stimme senkte sich. »Ich kann es Ihnen ja sagen – wir werden uns von Siebl trennen.«
»Von Herrn Siebl?«
»Ja. Der Auflösungsvertrag liegt mir schon vor. Es geht noch um die Ablösesumme. Da hole ich eine junge, intelligente, engagierte Managerin aus bestem Münchner Haus in mein Unternehmen, mit einer konkreten Vorstellung ihre Funktion betreffend – und dann gibt es da eine Führungskraft, die ihr nur Steine in den Weg legt, Schwierigkeiten bereitet und am Ende noch seinen … ja, es ist so! – missratenen Sohn in unangenehmen Kontakt mit ihr bringt. Ich habe Anne Blohm ja auch deshalb geholt, weil Siebl nicht in der Lage war unsere unterschiedlichen Engagements sinnvoll zu strukturieren und auf einen erfolgreichen Weg zu bringen. Anne Blohm konnte das.«
»Sie machen Verluste?«, fragte Lara Saiter.
»Nein, nein, nein, ja aber um Gottes willen, das nun wirklich nicht. Was verwenden Sie an so einem herrlichen Sommermorgen für schreckliche Worte: Hilfsindustrie, Verluste. Malen Sie nicht den Teufel an die Wand. Aber – auch wir müssen uns auf die Zukunft einstellen. Die Hilfsindustrie , wie Sie sie nennen, steht vor Veränderungen vielfältiger Art. Siebl hat in den letzten Jahren den Blick auf die Realitäten verloren. Er hat einen guten Namen in der Branche, formuliert interessante Ansätze, doch im Laufe von Jahren wird es auch langweilig immer das Gleiche zu hören. Er ist ein genialer Betroffenheitserzeuger und versteht es im Kreise seinesgleichen in beinahe unerreichter Art und Weise Belangloses und Unwichtiges mit verblüffendem Ernst in bedeutsam klingende Worte zu kleiden. Da treten einem wirklich die Tränen in die Augen. Das hatte sich aber erschöpft.«
»Anne Blohm hätte ihn nicht nur ersetzt«, stellte Lara Saiter fest, »sie wäre sogar
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