Marienplatz de Compostela (German Edition)
über das Wochenende hin kein Ergebnis, keinen Ermittlungsschritt, der von solcher Güte gewesen wäre, dass er die Frustration über Siebls Entwischen hätte mildern können. Alle hatten sich durch seine Festnahme den entscheidenden Schritt erhofft. Bucher plagte sich mit dem Gedanken, er hätte den Zugriff doch freigeben müssen. Dann hätten sie den Kerl wenigstens gehabt. Weiss plagte sich mit Vorwürfen. Batthuber ebenso. Es war ein Elend. Das ganze Wochenende hinweg.
Lara war froh am folgenden Montag nicht an der Morgenbesprechung teilnehmen zu müssen, wo sich der Misserfolg des Wochenendes durch Leblosigkeit und Kraftlosigkeit bemerkbar machen würde. Sie verabscheute diesen Zustand des Erstarrens nicht. Schon gar nicht an einem Sommertag, der so klar, so blau und so erfrischend begann. Jetzt war sie doch froh darüber, diesen ungewöhnlich frühen Termin bei Schott erhalten zu haben. Zuerst hatte sie sich ein wenig darüber geärgert.
Sie fuhr die Sollner Straße entlang und suchte den richtigen Abzweig. Schott unterhielt sein Büro in einer alten Villa. Ein schmaler Weg führte unter dem Dach alter Buchen und Erlen zum Eingang. Sie spürte die angenehme Kühle, die sich hier in der Nacht gesammelt hatte. Ein sattgrüner, gepflegter Rasen säumte das Haus. Hortensien und Rhododendren lockerten die Fläche auf.
Sie ging langsamer, breitete die Arme aus, spreizte die Finger. Es war ein gutes Gefühl. Sie hob den Kopf und spürte die Kühle am Halsansatz.
Eine freundliche Frau, untersetzt, kurzes graues Haar, Perlenkette, empfing sie an der Tür und brachte sie direkt ins Büro von Doktor Schott. Eine breite Holztreppe führte, von einer Kehre unterbrochen, ins Obergeschoss. Einige Treppenstufen knarzten zart. Beeindruckend. Schlicht. Teuer.
Es roch nach altem Geld.
Doktor Schott war nicht alleine. Er empfing Lara in einem Raum, der schlicht als Büro bezeichnet wurde, hingegen mehr als die Hälfte des oberen Stockwerks einnahm. Es gab keine weiteren Türen jenseits der schweren Holztür mit den Nussbaumeinlagen und mäandernden Mustern. Die Türstöcke wirkten wie Fenster, die einen Blick in den anderen Raum zuließen.
Vor der Fensterfront stand ein alter Schreibtisch. Ein paar Akten waren zu sehen, Telefon, Notebook. Dahinter ein schwerer Lederstuhl ohne Rollen.
Lara Saiter hätte diese Kombination anders aufgestellt – in jedem Falle so, dass man in den Garten hätte blicken können, und nicht an die Wand und auf das gewaltige Portrait eines ernsten Mannes. Der stand an einem Schreibtisch, die rechte Hand auf die Arbeitsplatte gestützt und blickte mit fordernder Miene in den Raum. Der gleiche Schreibtisch.
Vorne an den Fenstern befand sich eine gewinkelte, cremefarbene Ledergarnitur, ein passender Sessel war beigestellt. Auf dem Glastisch stand schlichtes, weißes Porzellan. Erfrischender Kaffeegeruch kam von dort her.
Schott war etwa Mitte fünfzig und groß gewachsen. Die glatten grauen Haare lagen exakt gescheitelt auf dem kantigen Schädel. Die Brille mit glänzendem Goldrand, der schwarze Anzug, die dezente Krawatte auf dem hellen Hemd – das alles wirkte, zumal in dieser Umgebung, ausnehmend seriös. Er hätte gut als Bankdirektor, Abgeordneter, Pressesprecher oder leitender Versicherungsvertreter durchgehen können. Nur die hohe Stimme passte nicht zur äußeren Erscheinung. Er begrüßte Lara überaus freundlich und fand viele Worte, sich für den eigenwilligen Termin zu entschuldigen. Während er sie durch den Raum leitete, erzählte er von der Villa, die der Familie seit langer Zeit gehörte, und davon, dass er die Stadt eigentlich mied und es bevorzugte am See zu wohnen. Er zeigte auf das Bild mit dem finsteren Mann, der sein Großvater gewesen war. »Schauen Sie mal? Sehen Sie … erkennen Sie, ja!? Der Schreibtisch … altes Familienstück, wie das Bild selbst auch.« Er kicherte. Hihihihihi.
Er sprach viel und hatte Lara Saiter nach dem Händedruck nicht losgelassen. Eigenartig. Sie brachte es fertig eine Zwischenfrage zu stellen: Welcher Art Doktor er denn sei? »Keiner für Mensch und keiner für Tier«, feixte er, um anschließend mit ernsthafter Tonlage zu erläutern, ein Doktor der Ingenieurwissenschaften zu sein. Metall sei seine Welt, was der Familie in den Genen liege. Hihihihi. Das Kichern gehörte zu seinem Redefluss, so wie andere Menschen ein unbewusstes »äh« oder »gell« einwarfen.
Sanft schob er sie in Richtung der Ledergarnitur. »Darf ich Ihnen meine Frau
Weitere Kostenlose Bücher