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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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oder verkeilte sich hinter Türen, und sein Getöse war ohrenbetäubend, als sträubte er sich mächtig gegen seine Bestimmung. Wie sie. Mit einem Tritt schaltete sie ihn ein, und er jaulte auf, dir werd ich’s geben, die Scherben klackerten durchs Rohr, ruckartig zog sie ihre Bahnen, bis sie glaubte, alles erwischt zu haben, und erleichtert wieder ausschaltete.
    »Du bist ja da!«, rief Frank.
    Sie zuckte vor Schreck zusammen, seine Stimme war viel zu laut in der plötzlichen Stille. »Wo sollte ich sonst sein?«
    »Ja, natürlich«, beschwichtigte er sie, »ich hab nur nicht erwartet, dass du so schnell wieder da bist. Ich dachte, ein Verhör dauert viel länger.«
    »Anscheinend nur im Fernsehen«, entgegnete sie, sich über ihren plötzlichen Hang zum Schnippischen wundernd. »Sie haben die Folter weggelassen«, setzte sie noch einen drauf.
    Frank hob die Brauen. »Und was ist nun rausgekommen?«
    »Nichts«, sagte sie, »sie haben gesagt, ich kann gehen, also bin ich gegangen.« Genau genommen war sie rausgerast wie angestochen, doch das behielt sie lieber für sich. So hörte sich das viel würdevoller an. Es hörte sich an, als habe sie die Dinge unter Kontrolle. Ein ziemlich gutes Gefühl.
    Es klingelte. Antonia, hoffte sie, eilte zur Tür und öffnete sie.
    »Guten Tag, Frau Tewes. Ist Antonia da?«, fragte Gerrit.
    »Nein«, sagte Frank über ihre Schulter hinweg.
    Sie hatte gar nicht gemerkt, dass er ihr hinterhergekommen war. Und woher wollte er wissen, dass Antonia nicht da war? Vielleicht konnte er den Jungen nicht leiden und wollte ihn einfach loswerden, überlegte sie.
    »Darf ich auf sie warten?«, bat der Junge.
    Sie fand ihn ganz nett. Er sah ziemlich gut aus, und diese Höflichkeit …
    »Da kannst du lange warten«, sagte Frank und griff nach ihrem Arm.
    Was sollte das denn nun? Sie blickte ihn fragend an.
    »Schatz, Antonia hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Ich musste sie in die Psychiatrie bringen.«
    Oh Gott, nein, sie wollte seine Worte von sich weisen, doch nicht Antonia, mein Kind, mein Alles, warum hatte sie das nicht kommen sehen?, warum hatte sie nicht darauf bestanden, mit ihr zu reden?, warum hatte sie sie schon in die Schule gehen lassen?, warum?, warum?, selbst schuld, immer, immer wieder, sie hätte das verhindern müssen, sie war nicht gut genug, für nichts war sie gut genug, oh, aber sie lebt, wenigstens lebt sie noch.
    Sie schrak aus ihrer Schockstarre hoch. »Ich muss zu ihr, sofort!«, rief sie und knallte dem Jungen kurzerhand die Tür vor der Nase zu, zerrte ihren Mantel von der Garderobe und schnappte sich ihre Handtasche. »Bring mich zu ihr.«
    »Das geht nicht. Die Ärzte haben jeden Kontakt verboten. Vorerst jedenfalls. Bis es ihr besser geht.«
    »Aber … aber …«, stammelte sie, »ich muss zu meinem Kind …«
    »Nein«, sagte Frank, »wir müssen uns daran halten. Wir wollen doch, dass es ihr bald besser geht, nicht? Dass sie so etwas nie wieder tut und ganz gesund wird? Kopf hoch«, versuchte er, sie aufzumuntern, »das wird schon wieder. Sei froh, dass wenigstens ich da war und sie rechtzeitig gefunden habe, sie war nämlich schon bewusstlos. Woher hat sie bloß die Tabletten, frage ich mich.«
    Tabletten?, oh nein, nicht das noch! Sie hetzte ins Schlafzimmer, stieß mit der Schulter gegen den Türrahmen, der Schmerz schoss ihr durch den ganzen Körper, und sie krümmte sich und sah, was sie schon geahnt hatte, sah das offen stehende Medizinschränkchen, die leere Packung auf dem Boden, ihre Tabletten. Ihre Schuld.

11
    Marilene schaute auf ihre Armbanduhr und warf sicherheitshalber noch einen Blick auf die Zeitangabe auf dem Bildschirm. Eine halbe Stunde bis zum nächsten Termin, das würde reichen, um endlich Sigrid Tewes anzurufen. Leander hatte den Boden für dieses Gespräch bereitet, und Marilene hätte zu gern gewusst, wie er das hinbekommen haben mochte, mit welchem Druckmittel er sie bewogen hatte, zumindest zuzuhören.
    Sie versuchte, sich zu wappnen gegen die Kälte, die die Frau verströmte. Es wollte ihr nicht recht gelingen, doch sie hatte keine Wahl. Irgendjemand musste jetzt mal den Mund aufmachen. Lilian Tewes weigerte sich, mit ihr zu sprechen. Sie selbst hatte zwei dringende Fälle auf dem Tisch, die keinen Aufschub duldeten, sodass sie die Fahrt nach Bremen hatte verschieben müssen. Und Antonia befand sich in der Geschlossenen. Ein Ort, den sie sich nicht vorstellen mochte, obgleich sie durchaus davon ausging, dass sich seit diesem

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