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Marina.

Marina.

Titel: Marina. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Geschichte stimmte, musste er der Sohn des Firmengründers gewesen sein, der Sohn, der fünfzig Prozent des Aktienpakets geerbt hatte, als Kolwenik zum Generaldirektor ernannt wurde. Diese Offenbarung verschob sämtliche Teilchen des Puzzles. Wenn mich Sentís in diesem Punkt belogen hatte, konnte er auch in allen anderen gelogen haben. Das Tageslicht ertappte mich beim Versuch, mir die Bedeutung dieser Geschichte und ihres Ausgangs zu erklären.
    An diesem Dienstag machte ich mich in der Mittagspause dünn, um Marina zu treffen.
    Als hätte sie meine Gedanken gelesen, wartete sie im Garten mit der Zeitung vom Vortag in den Händen. Ein kurzer Blick genügte mir, um zu wissen, dass sie die Meldung von Sentís’ Tod gelesen hatte.
    »Dieser Mann hat dich belogen …«
    »Und jetzt ist er tot.«
    Sie warf einen Blick zum Haus hinüber, als befürchtete sie, Germán könnte uns hören.
    »Wir machen lieber einen Spaziergang«, schlug sie vor.
    Obwohl ich in weniger als einer halben Stunde wieder in der Schule sein musste, willigte ich ein. Unsere Schritte führten uns zum Santa-Amelia-Park an der Grenze zum Viertel Pedralbes. Mitten im Park stand eine vor kurzem zum Bürgerhaus umgebaute Villa. Einer der ehemaligen Salons war nun eine Cafeteria. Dort setzten wir uns an einen Tisch am großen Fenster. Marina las laut die Meldung, die ich längst auswendig konnte.
    »Es steht nirgends, dass es Mord war«, meinte sie wenig überzeugt.
    »Das ist auch nicht nötig. Ein Mann, der zwanzig Jahre zurückgezogen gelebt hat, wird tot in der Kanalisation gefunden, nachdem sich auch noch jemand einen Spaß daraus gemacht hat, ihm beide Hände abzutrennen, bevor er die Leiche zurückgelassen hat …«
    »Einverstanden. Mord.«
    »Es ist mehr als Mord.« Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. »Was hatte Sentís mitten in der Nacht in einem verlassenen Abwasserkanal zu suchen?«
    Ein Kellner, der hinter der Theke gelangweilt Gläser trocknete, hörte uns zu.
    »Sprich leiser«, flüsterte Marina.
    Ich nickte und versuchte mich zu beruhigen.
    »Vielleicht sollten wir zur Polizei gehen und mitteilen, was wir wissen«, sagte sie.
    »Aber wir wissen ja gar nichts.«
    »Wahrscheinlich wissen wir etwas mehr als sie. Vor einer Woche lässt dir eine geheimnisvolle Dame eine Karte mit Sentís’ Adresse und dem Symbol des schwarzen Schmetterlings zukommen. Du besuchst Sentís, der nichts von alledem wissen will, dir aber eine merkwürdige Geschichte von Michail Kolwenik und der Firma Velo-Granell auftischt, die vor vierzig Jahren in undurchsichtige Angelegenheiten verwickelt war. Aus irgendeinem Grund vergisst er, dir zu sagen, dass er mit zu dieser Geschichte gehört hat, dass er sogar der Sohn des Gründers war, der Mann, für den dieser Kolwenik nach einem Unfall in der Fabrik zwei künstliche Hände entwickelt hat. Sieben Tage später findet man Sentís tot in den Kloaken …«
    »Ohne die orthopädischen Hände.« Ich erinnerte mich daran, dass Sentís gezaudert hatte, mir zur Begrüßung die Hand zu geben. Beim Gedanken an jene steife Hand lief mir ein Schauer über den Rücken.
    »Als wir in dieses Gewächshaus hineingingen, sind wir irgendeiner Sache über den Weg gelaufen.« Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. »Und jetzt gehören wir unversehens dazu. Die schwarze Frau kam mit dieser Karte zu mir.«
    »Óscar, wir wissen nicht, ob sie zu dir kam noch welches ihre Beweggründe waren. Wir wissen nicht, wer sie ist.«
    »Aber sie weiß, wer wir sind und wo sie uns finden kann. Und wenn sie es weiß …«
    Marina seufzte.
    »Lass uns auf der Stelle die Polizei anrufen, und dann vergessen wir das Ganze so schnell wie möglich«, sagte sie. »Es gefällt mir gar nicht, und außerdem geht es uns nichts an.«
    »Doch, es geht uns etwas an, seit wir der Dame auf dem Friedhof gefolgt sind.«
    Marina ließ den Blick durch den Park schweifen, wo zwei Kinder mit einem Drachen herumtollten und ihn zum Fliegen zu bringen versuchten. Ohne sich von ihnen abzuwenden, murmelte sie langsam:
    »Was schlägst du also vor?«
    Ich wusste ganz genau, was ich im Sinn hatte.
     
     
    Die Sonne stand über der Kirche auf der Plaza de Sarriá, als Marina und ich in den Paseo de la Bonanova einbogen, Richtung Gewächshaus. Wir waren vorausschauend genug gewesen, eine Taschenlampe und eine Schachtel Streichhölzer einzupacken. Wir nahmen die Calle Iradier und drangen dann in die einsamen Passagen ein, die die Eisenbahngleise säumten. Durch die

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