Marina.
Fingernägel im Nacken. Neben mir schrie Marina auf, und ich stieß sie vor mir her durch diesen teuflischen Tunnel von Gestalten, die aus dem Dunkel heruntersanken. Die durch den Efeu dringenden Strahlen des Mondlichts enthüllten zerbrochene Gesichter, Glasaugen und Emailgebisse.
Kräftig schwang ich das Messer nach allen Seiten. Da spürte ich, wie es einen harten Körper schlitzte. Eine dicke Flüssigkeit ergoss sich über meine Finger. Ich zog die Hand zurück; ein Etwas riss Marina in die Schatten hinein. Sie heulte vor Schreck auf, und ich sah das blicklose Gesicht mit den leeren schwarzen Augenhöhlen der hölzernen Tänzerin, die mit messerscharfen Fingern Marinas Kehle umklammerte. Das Gesicht der Figur war von einer Maske toter Haut bedeckt. Mit aller Kraft warf ich mich auf sie und riss sie zu Boden. Dicht aneinandergepresst, liefen wir zur Tür, während die geköpfte Tänzerinnengestalt aufstand und auferstand, eine Marionette an unsichtbaren Fäden mit Klauen, die wie eine Schere klapperten.
Als wir an die frische Luft gelangten, sah ich, dass uns mehrere Figuren den Ausweg versperrten. Wir liefen in der Gegenrichtung auf einen Schuppen an der Mauer zu, die das Grundstück von den Eisenbahnschienen trennte. Die Glastüren des Schuppens waren von jahrzehntealtem Schmutz blind geworden. Geschlossen. Mit dem Ellbogen zerschlug ich die Scheiben und ertastete das Schloss im Inneren. Die Klinke gab nach, und die Tür öffnete sich nach innen. Wir stürzten hinein. Die hinteren Fenster bildeten zwei Flecken milchiger Helle. Auf der anderen Seite konnte man das Gewirr der Oberleitungen der Bahn erahnen. Marina schaute einen Augenblick zurück. In der Tür des Schuppens zeichneten sich eckige Formen ab.
»Rasch!«, rief sie.
Verzweifelt schaute ich mich nach etwas um, womit ich die Scheiben einschlagen konnte. Eine rostige Autoleiche moderte im Dunkeln vor sich hin. Davor lag die Kurbel für den Motor. Ich ergriff sie und schlug, mich vor den Splittern schützend, immer wieder auf die Fensterscheiben ein. Die nächtliche Brise wehte mir ins Gesicht, und ich nahm den verbrauchten Atem aus dem dunklen Loch wahr.
»Hier lang!«
Marina hievte sich zur Fensteröffnung hinauf, während ich die Silhouetten langsam in die Garage hereinrobben sah. Mit beiden Händen schwang ich die Kurbel. Auf einmal hielten die Figuren inne und wichen einen Schritt zurück. Verständnislos schaute ich zu, und da hörte ich dieses mechanische Atmen über mir. Instinktiv sprang ich zum Fenster, genau in dem Moment, als sich ein Körper von der Decke löste. Ich erkannte die Figur des armlosen Polizisten. Sein Gesicht schien ebenfalls von einer plump vernähten Maske toter Haut bedeckt. Die Nähte bluteten.
»Óscar!«, rief Marina auf der anderen Seite des Fensters.
Ich stürzte durch den Schlund der zersplitterten Scheibe und spürte, wie mir eine Glaszunge in die Hose schnitt und säuberlich das Fleisch auftrennte. Als ich auf der anderen Seite landete, brandete der Schmerz gnadenlos auf mich ein. Ich spürte, wie unter dem Stoff lauwarm das Blut rann. Marina half mir auf die Beine, und wir überquerten mühsam die Gleise. In diesem Augenblick klammerte sich etwas an meinen Knöchel, so dass ich kopfüber auf die Schiene fiel. Verwirrt drehte ich mich um. Die Hand einer monströsen Marionette schloss sich um meinen Fuß. Ich stützte mich auf die Schiene und spürte die Vibration des Metalls. In der Ferne zeichnete sich auf den Mauern das Licht eines Zuges ab. Ich hörte das Quietschen der Räder und spürte unter meinem Körper den Boden erzittern.
Marina wimmerte auf, als sie sah, dass sich in voller Geschwindigkeit ein Zug näherte. Sie kniete zu meinen Füßen nieder und rangelte mit den Holzhänden, die mich festhielten. Ich hörte heulend den Pfiff. Die Puppe lag leblos da und hielt unerschütterlich ihre Beute fest. Mit beiden Händen kämpfte Marina um meine Befreiung. Einer der Finger gab nach. Sie stöhnte. Eine halbe Sekunde später richtete sich dieser Körper auf und packte mit der anderen Hand Marinas Arm. Mit aller Kraft schlug ich die Kurbel, die ich noch in der Hand hielt, dieser Figur ins Gesicht, bis ihre Schädelstruktur barst. Voller Entsetzen stellte ich fest, dass das, was ich für Holz gehalten hatte, Knochen war. In diesem Geschöpf hauste Leben.
Das Brausen des Zuges wurde ohrenbetäubend und erstickte unsere Schreie. Die Steine zwischen den Gleisen bebten. Das Scheinwerferlicht hüllte uns ein. Ich
Weitere Kostenlose Bücher