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Marina.

Marina.

Titel: Marina. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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Kolwenik schleuderte Marina gegen eine Bronzestatue und stürzte sich auf mich. Mit einem Sprung zur Seite wollte ich ihm ausweichen, und das Fläschchen entglitt meinen Fingern.
    Bei der Berührung mit dem glühenden Metall verdampfte das Serum. Kolweniks Klaue packte das Fläschchen, als nur noch wenige Tropfen darin waren. Er umklammerte es mit seiner Metallfaust, so dass es zersplitterte. Seinen Fingern entquollen einige smaragdfarbene Tropfen. Die Flammen beleuchteten sein Gesicht, ein Abgrund an ungezügeltem Hass und Zorn. Da begann er auf uns zuzukommen. Marina ergriff meine Hände und drückte sie fest. Sie schloss die Augen, und ich tat es ihr gleich. In wenigen Zentimeter Entfernung roch ich Kolweniks fauligen Gestank und bereitete mich auf den Schlag vor.
    Der erste Schuss pfiff durch die Flammen. Ich öffnete die Augen und sah Ewa Irinowa nähergehen, wie auch ich es getan hatte. Sie hielt den Revolver in die Höhe. In Kolweniks Brust tat sich eine Rose schwarzen Blutes auf. Der zweite Schuss, aus der Nähe, zerschmetterte eine seiner Hände. Der dritte traf die Schulter. Ich zog Marina weg. Wankend wandte sich Kolwenik Ewa zu. Die Dame in Schwarz ging langsam weiter, die Waffe erbarmungslos auf Kolwenik gerichtet. Ich hörte ihn stöhnen. Der vierte Schuss riss ihm den Bauch auf, der fünfte und letzte ein schwarzes Loch zwischen die Augen. Eine Sekunde später sackte er in die Knie. Ewa Irinowa ließ den Revolver fallen und eilte zu ihm.
    Sie umschlang ihn mit den Armen und wiegte ihn. Beider Augen trafen aufeinander, und ich sah sie dieses ungeheuerliche Gesicht liebkosen. Sie weinte.
    »Bring deine Freundin von hier weg«, sagte sie, ohne mich anzuschauen.
    Ich nickte. Ich führte Marina über den Träger zum Gesims zurück. Von dort gelangten wir aufs Dach des Theateranbaus und konnten uns vor dem Feuer in Sicherheit bringen. Bevor wir außer Sichtweite waren, wandten wir uns noch einmal um. Die Dame in Schwarz hielt Michail Kolwenik in den Armen. Ihre Silhouetten zeichneten sich in den Flammen ab, bis das Feuer sie ganz einhüllte. Ich glaubte zu sehen, wie sich ihre Asche im Wind zerstreute und über Barcelona schwebte, bis das Morgengrauen sie für immer davontrug.
     
     
    Am nächsten Tag sprachen die Zeitungen vom größten Brand in der Geschichte der Stadt, von der Vergangenheit des Gran Teatro Real und wie sein Verschwinden das letzte Echo eines verlorenen Barcelonas auslöschte. Die Asche hatte eine Decke über das Hafenwasser gelegt. Sie fiel weiter auf die Stadt bis zur Dämmerung. Vom Montjuïc aus aufgenommene Fotos zeigten den dantesken Anblick eines infernalischen Feuers, das zum Himmel aufstieg. Die Tragödie erschien in einem neuen Licht, als die Polizei bekanntgab, vermutlich hätten Arme das Haus bewohnt und mehrere von ihnen seien unter den Trümmern eingeklemmt worden. Über die Identität der beiden verkohlten Leichen, die in enger Umarmung an der Spitze der Kuppel gefunden wurden, erfuhr man nichts. Wie Ewa Irinowa vorhergesagt hatte, war die Wahrheit in Sicherheit vor den Menschen.
    Keine Zeitung erwähnte die alte Geschichte von Ewa Irinowa und Michail Kolwenik, sie interessierte niemanden mehr. Ich erinnere mich an diesen Morgen mit Marina vor einem der Kioske auf den Ramblas. Die erste Seite von
La Vanguardia
titelte über fünf Spalten:
    BARCELONA BRENNT !
     
    Neugierige und Frühaufsteher kauften die erste Ausgabe und fragten sich, wer den Silberhimmel glasiert haben mochte. Langsam gingen wir Richtung Plaza de Cataluña davon, während es um uns herum weiter Asche regnete wie tote Schneeflocken.

25
    I n den Tagen nach dem Brand des Gran Teatro Real wurde Barcelona von einer Kältewelle heimgesucht. Zum ersten Mal seit vielen Jahren lag die Stadt vom Hafen bis zum Gipfel des Tibidabo unter einer Schneedecke. In Gesellschaft von Marina und Germán verbrachte ich Weihnachtstage voller unausgesprochener Gedanken und ausweichender Blicke. Marina erwähnte das Vorgefallene kaum und mied den Kontakt mit mir immer mehr, blieb in ihrem Zimmer und schrieb. Um die Zeit totzuschlagen, spielte ich im großen Salon vor dem wärmenden Kamin mit Germán unendliche Partien Schach. Ich sah es schneien und wartete auf den Moment, wo ich mit Marina allein wäre. Ein Moment, der nie kam.
    Germán gab vor, nicht zu bemerken, was vorging, und unterhielt sich mit mir, um mich aufzumuntern.
    »Marina sagt, Sie wollen Architekt werden, Óscar.«
    Ich nickte, obwohl ich nicht wusste, was ich

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