Marissa Blumenthal 01 - Virus
Seuchenkontrollzentrum vorbei. Das Gebäude wirkte still und verlassen, doch sie war sich noch immer nicht klar darüber, was sie tun sollte oder wem sie trauen konnte. Sie hätte es vorgezogen, zu einem guten Rechtsanwalt zu gehen, aber sie hatte keine Vorstellung, wie sie einen solchen ausfindig machen konnte.
McQuinlin kam jedenfalls keinesfalls in Frage.
Der einzige Mensch, an den sie sich wohl wenden konnte, war dieser Dr. Fakkry von der Weltgesundheitsorganisation. Er hatte mit Sicherheit nichts mit dieser Verschwörung zu tun, und mit größter Wahrscheinlichkeit würde er im Peachtree Plaza wohnen. Die Frage war nur: Würde er ihr Glauben schenken, oder würde er erst einmal Dubchek oder sonst jemanden von CDC anrufen, was sie wohl erneut ihren Verfolgern in die Hände liefern würde?
Die Angst zwang sie zu dem, was sie als einzigen vernünftigen Ausweg empfand. Sie mußte sich die Injektionspistole wiederbeschaffen. Es war ihr einziges echtes Beweisstück. Ohne dieses Beweisstück, so fürchtete sie, würde niemand sie ernst nehmen. Sie hatte noch immer Tads Einlaßkarte, und wenn er nichts mit dem PAC zu tun hatte, war die Karte sicher noch einsatzfähig. Eins konnte natürlich geschehen, nämlich daß der Wachdienst sie nicht einlassen würde.
Entschlossen bog Marissa in die Auffahrt zum Seuchenkontrollzentrum ein und parkte dicht neben dem Eingang. Sie wollte den Wagen in Reichweite haben, falls irgend jemand sie aufzuhalten versuchte.
In der Pförtnerloge sah sie den Mann vom Wachdienst an seinem Tischchen sitzen, über ein Taschenbuch gebeugt. Als er sie kommen hörte, blickte er mit ausdruckslosem Gesicht auf.
Marissa zog die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute darauf herum, als sie anscheinend unbekümmert heranschlenderte und ihre Angst zu verbergen suchte. Sie nahm den Bleistift und trug sich in die Eingangsliste ein. Dann blickte sie auf und erwartete einen Kommentar, doch der Mann schaute sie ganz unbeteiligt an.
»Was lesen Sie denn da?« fragte Marissa, weil ihre angespannten Nerven sie dazu zwangen, etwas zu sagen.
»Camus.«
Nun gut, der Sinn stand ihr wirklich nicht danach, ihn auch noch zu fragen, ob es vielleicht Die Pest sei. So ging sie zum Hauptaufzug und war sich seiner auf ihr ruhenden Blicke sehr bewußt. Sie drückte den Knopf zum Stockwerk ihres Büros, drehte sich dann um und schaute zu dem Mann hinüber. Er beobachtete sie immer noch.
Kaum hatten sich die Aufzugstüren geschlossen, griff er zum Telefon und wählte. Sobald sich jemand meldete, gab er durch: »Frau Dr. Blumenthal hat sich gerade eingetragen. Sie fährt mit dem Aufzug hinauf!«
»Großartig, Jerome«, antwortete Dubchek. Seine Stimme war heiser, als ob er sehr müde oder krank sei. »Wir werden zur Stelle sein. Lassen Sie niemanden sonst rein!«
»Ganz wie Sie anordnen, Dr. Dubchek.«
Marissa trat aus dem Aufzug und blieb ein paar Minuten davor stehen, auf die Stockwerksanzeiger achtend. Beide Aufzüge blieben, wo sie waren. Im Gebäude war es ganz still. Überzeugt davon, daß niemand ihr folgte, ging sie zur Treppe, eilte die Stufen hinab und dann über den Laufgang hinüber in den Virologiebau. Dort hastete sie den langen vollgestopften Gang hinunter, bog um die Ecke und stand vor der stählernen Sicherheitstür. Sie hielt den Atem an, während sie Tads Einlaßkarte in den Kontrollschlitz einführte und seine Kennziffern eingab.
Es folgte eine kleine Pause. Für einen Augenblick fürchtete sie, daß eine Alarmsirene ertönen könne. Aber alles, was sie hörte, war das Geräusch, mit dem sich der Sicherheitsriegel löste.
Die schwere Tür ging auf, und sie war drin.
Nachdem sie die entsprechenden Kippschalter heruntergedrückt hatte, drehte sie das große Verschlußrad an der luftdichten Tür auf, kletterte in den ersten Raum und ging dann, ohne erst Arbeitskleidung anzuziehen, gleich in den nächsten. Als sie in einen der Schutzanzüge schlüpfte, begann sie sich zu fragen, wo Tad wohl die verseuchte Injektionspistole versteckt haben könnte.
*
Dubchek fuhr wie ein Wilder, bremste an Kurven nur, wenn es absolut nicht anders ging, und überfuhr reihenweise rote Ampeln. Zwei Männer saßen mit ihm in Wagen; John, auf dem Vordersitz, klammerte sich an der Tür fest, während Mark im Fond die größte Mühe hatte zu verhindern, daß er ständig von der einen Seite auf die andere flog. Alle drei hatten grimmige Gesichter. Sie fürchteten, daß sie zu spät kommen
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