Marissa Blumenthal 01 - Virus
erfahren?« fragte sie einschmeichelnd. »Außerdem bin ich schließlich Teammitglied.«
»Na ja, das schon«, räumte Tad widerstrebend ein.
Sein Widerstand ließ spürbar nach. Sein Eindruck, daß sich Marissa mit ihm wohl nur dann treffen werde, wenn er sie mit ins Laboratorium nähme, schien sein Nachgeben zu bestimmen. Also sagte er schließlich, daß er sie in einer halben Stunde abholen würde; sie dürfe aber kein Sterbenswörtchen irgendeinem gegenüber verlauten lassen. Dem stimmte Marissa natürlich unverzüglich zu…
*
»Ich fühl mich ziemlich unbehaglich dabei«, meinte Tad, als sie zum Seuchenkontrollzentrum hinüberfuhren.
»Reg dich nicht auf«, antwortete Marissa, »ich bin schließlich Gott sei Dank EIS-Beamtin für spezielle Pathogene.« Absichtlich tat sie so, als sei sie ein bißchen verärgert.
»Wir könnten doch auch morgen eine Genehmigung für dich beantragen«, schlug Tad vor.
Marissa wandte sich ihm zu und fragte: »Kriegst du jetzt kalte Füße?« Es stimmte natürlich, daß Dubchek am nächsten Tag von einer Reise nach Washington zurückerwartet wurde und man daher ganz formell einen entsprechenden Antrag stellen konnte. Aber Marissa hatte so ihre Zweifel, wie seine Antwort ausfallen würde. Es war ihr nicht entgangen, daß Dubchek während der vergangenen Wochen übertrieben kühl gewesen war, wenn sie sich auch selbst die Schuld daran geben mußte. Aber sie hätte nicht sagen können, warum sie es nicht fertiggebracht hatte, sich entweder bei ihm zu entschuldigen oder ihm zu sagen, daß man sich ja wieder mal an einem Abend treffen könne. Mit jedem Tag, der verstrich, nahm die Kühle zwischen ihnen zu, besonders von seiner Seite.
Tad fuhr auf den Parkplatz, und sie gingen schweigend zum Haupteingang. Marissa sann über das männliche Selbstwertgefühl nach und die Probleme, die man damit hatte.
Sie schrieben sich unter den wachsamen Augen des Sicherheitsbeamten ein und legten dabei pflichtbewußt ihre CDC-Ausweise vor. Unter »Zweck/Abteilung« trug Marissa »Eig. Büro« ein. Sie warteten auf den Aufzug und fuhren dann in den dritten Stock hinauf. Nachdem sie das Hauptgebäude in seiner ganzen Länge durchschritten hatten, traten sie durch eine Tür hinaus auf einen durch ein Drahtgeflecht abgesicherten Steg, der das Hauptgebäude mit den Laboratorien für die Virenforschung verband. Alle Gebäude des Zentrums waren auf den meisten Stockwerken durch derartige Stege miteinander verbunden.
»Die Sicherheitsvorschriften müssen für dieses Laboratorium einfach sehr streng sein«, sagte Tad, als er die Tür zum Virenforschungsbau öffnete. »Hier lagert schließlich jeder krankheitserregende Virus, den die Menschheit kennt.«
»Wirklich jeder?« fragte Marissa, sichtlich beeindruckt.
»Absolut!« versicherte Tad wie ein stolzer Vater.
»Und wie steht’s mit Ebola?« hakte Marissa nach.
»Wir haben Ebola-Viren von jeder bisher aufgetretenen Art. Wir haben den Marburg-Virus da, Pocken, die eigentlich ausgestorben sind, Kinderlähmung, Gelbfieber, Denguefieber, AIDS; es gibt nichts, was wir nicht hier haben.«
»Meine Güte!« rief Marissa aus. »Die reinste Schreckensgalerie!«
»Na ja, das kann man schon sagen.«
»Und wie lagert ihr das Zeug?« fragte Marissa.
»Tiefgefroren in flüssigem Nitrogen.«
»Ist es ansteckend?« bohrte Marissa weiter.
»Sobald es aufgetaut ist.«
An einer Menge kleiner, dunkler Büros vorbei kamen sie schließlich in eine nüchterne Halle. Marissa war bisher nur bei einem Besuch in Dubcheks Büro in diesem Teil des Gebäudes gewesen.
Tad blieb vor einer Art von begehbarem Kühlschrank stehen, wie man ihn aus Metzgerläden kennt.
»Du wirst das vielleicht interessant finden«, meinte er, als er die schwere Tür aufzog. Drinnen brannte Licht.
Zögernd trat Marissa über die Schwelle in die kalte, feuchte Luft, gefolgt von Tad. Ein kleiner Schauer der Furcht überlief sie, als die schwere Tür hinter ihnen mit dumpfem Geräusch zufiel.
Der Kühlraum war mit Regalen bestückt, auf denen Hunderttausende winziger Röhrchen lagerten. »Was ist das?« fragte die junge Ärztin.
»Tiefgekühlte Seren«, antwortete Tad und nahm eines der Röhrchen heraus, auf dem eine Bezeichnung und ein Datum notiert waren. »Entnahmen von Patienten in aller Welt mit jeder bekannten Viruserkrankung, und eine Menge unbekannter Viren noch dazu. Sie sind hier für die Immunisierungsforschung und eindeutig nicht ansteckend.«
Marissa war trotzdem
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