Marissa Blumenthal 01 - Virus
»Setzen Sie zunächst Ihre Arbeit mit den weniger gefährlichen Viren fort, bis sie genug Erfahrung gesammelt haben.«
»Und wie merke ich dann, daß ich genug Erfahrung gesammelt habe?« Marissa mußte einräumen, daß sich gegen Cyrills Entscheidung wenig einwenden ließ, aber sie fragte sich doch, ob die nicht anders ausgefallen wäre, wenn sie ihm in Los Angeles mehr entgegengekommen wäre. Und es ärgerte sie noch mehr, daß sie dort ihre ursprüngliche Abweisung nicht korrigiert hatte. Er war schließlich ein gutaussehender Mann, der sie weit mehr anzog als Ralph, obwohl sie sich über dessen Einladung zum Abendessen wirklich gefreut hatte.
»Ich denke, daß ich dann bald weiß, wann Sie genug Erfahrung haben«, sagte Dubchek in ihre Gedanken hinein, » - oder eben Tad Schockley.«
Gleich fühlte sich Marissa erleichtert. Wenn es von Tad abhing, war sie sich sicher, daß sie schließlich die nötige Erlaubnis erhalten würde.
»Inzwischen«, sagte Dubchek und ging um seinen Schreibtisch herum, um dahinter Platz zu nehmen, »gibt es etwas viel Wichtigeres mit Ihnen zu besprechen. Ich habe gerade mit verschiedenen Leuten telefoniert, darunter dem staatlichen Seuchenbeauftragten von Missouri. Sie haben in St. Louis einen Fall von schwerer Viruserkrankung, bei dem sie befürchten, es könne sich um den Ebola-Virus handeln. Sie müssen sofort hinfliegen, die Lage unter klinischen Gesichtspunkten abklären, Tad entsprechende Proben schicken und uns Bericht erstatten. Hier ist Ihre Flugreservierung.« Dabei streckte er Marissa ein Blatt hin, auf dem sie lesen konnte: Delta-Flug 1083, Abflug 17.34 Uhr, Ankunft 18.06.
Marissa war völlig verblüfft. Jetzt zur Hauptverkehrszeit würde das wahnsinnig knapp werden. Als Eis-Beamtin mußte sie natürlich jederzeit einen gepackten Koffer parat haben, aber das war eben im Augenblick keineswegs der Fall, und schließlich war da auch noch Taffy…
»Das mobile Laboratorium ist einsatzbereit für den Fall, daß es gebraucht wird, aber wir hoffen, daß es nicht nötig sein wird«, sagte Dubchek abschließend. Er streckte ihr die Hand hin, um ihr Glück zu wünschen, aber Marissa war so bestürzt von dem Gedanken, daß sie vielleicht schon in wenigen Stunden wieder im Kampf mit dem tödlichen Ebola-Virus stehen würde, daß sie es gar nicht bemerkte. Sie war ganz benommen. Da war sie gekommen in der Hoffnung auf die Genehmigung für die Tätigkeit im Hochsicherheitslaboratorium - und sie ging mit dem Auftrag, sofort nach St. Louis zu fliegen! Ein Blick auf ihre Uhr veranlaßte sie zur Beschleunigung ihrer Schritte - es war allerhöchste Zeit.
KAPITEL 5
3. März
Erst als die Maschine auf der Piste heranrollte, fiel Marissa ihre Verabredung mit Ralph ein. Nun, sie würde rechtzeitig landen, um ihn von St. Louis aus bei sich zu Hause anrufen zu können. Immerhin war es ein kleiner Trost für sie, daß sie sich in beruflicher Hinsicht ein Stück sicherer fühlte als beim Flug nach Los Angeles. Jetzt hatte sie wenigstens eine Ahnung, was von ihr erwartet würde. Was sie persönlich betraf, machte ihr jedoch nun, da sie die ganze tödliche Wirkung des Virus kannte, der Gedanke an die Gefahr eigener Ansteckung erheblich mehr zu schaffen. Wenn sie auch mit niemandem darüber gesprochen hatte, machte sie sich doch immer noch Sorgen darüber, ob sie sich nicht vielleicht schon in Los Angeles angesteckt hatte. Jeder Tag, der vergangen war, ohne daß sich irgendwelche Krankheitssymptome bei ihr gezeigt hatten, hatte ihr Erleichterung gebracht. Aber die Angst diesbezüglich war nie völlig von ihr gewichen.
Der andere Gedanke, der Marissa sehr beunruhigte, war die Möglichkeit, daß schon so bald wieder ein neuer Ebola-Fall aufgetaucht war. Wenn es wirklicher Ebola-Virus war - wie kam er nach St. Louis? Ging es um einen neuen Ausbruch der Krankheit, oder war sie aus Los Angeles eingeschleppt worden? War das durch eine Kontaktperson geschehen, oder gab es eine ähnliche »Ebola-Mary« wie seinerzeit die berüchtigte »Typhus-Mary«? Viele Fragen, und keine davon stimmte Marissa fröhlich.
»Dürfen wir Ihnen einen Imbiß servieren?« fragte eine Stewardeß und unterbrach damit Marissas Grübeleien.
»Ja bitte«, antwortete Marissa und klappte das Tischchen vor ihrem Sitz herunter. Es war besser, etwas zu essen, ob sie nun Hunger hatte oder nicht. Sie wußte zu gut, daß sie dazu vielleicht keine Zeit mehr fände, wenn sie erst einmal in St. Louis gelandet
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