Marissa Blumenthal 01 - Virus
verfaultem Gemüse und die Erledigung überfälliger Rechnungen gehörte. Am Arbeitsplatz stürzte sie sich in das Studium des viralen hämorrhagischen Fiebers, insbesondere in bezug auf Ebola. Die umfangreiche Bibliothek des Seuchenkontrollzentrums lieferte ihr ausführliche Informationen über früheres Auftreten des Ebola-Virus: 1976 in Zaire und im Sudan, 1977 wieder in Zaire und 1979 nochmals im Sudan. Bei jedem Ausbruch der Seuche war der Virus aus dem Nichts gekommen und dann wieder verschwunden. Man hatte enorme Mühe darauf verwendet herauszufinden, welcher Organismus als Träger für den Virus in Frage käme.
Über zweihundert verschiedene Tierrassen und Insektenarten waren in bezug auf mögliche Trägereigenschaft untersucht worden. Aber alle diese Untersuchungen waren negativ verlaufen. Das einzige positive Ergebnis waren ein paar Antikörper bei einem zahmen Meerschweinchen gewesen.
Marissa fand die Beschreibung des ersten Ausbruchs der Erkrankung in Zaire besonders interessant. Als Übertragungsquelle der Krankheit hatte man eine Krankenpflegestation namens Yambuku-Missionskrankenhaus ausfindig gemacht. Sie dachte darüber nach, welche Gemeinsamkeiten wohl bestehen könnten zwischen diesem Missionskrankenhaus und der Richter-Klinik oder im größeren Maßstab zwischen Yambuku und Los Angeles. Viele konnten es eigentlich nicht sein.
Sie saß an einem Tisch im Hintergrund der Bibliothek und las erneut in Fields Virologie. Es ging ihr gerade um die Anwendung von Gewebekulturen für ihre weitere praktische Arbeit im virologischen Hauptlaboratorium. Tad hatte ihr geholfen, sich ein paar harmlose Viren zu beschaffen, so daß sie sich jetzt mit den neuesten Apparaten zur Virusforschung vertraut machen konnte.
Marissa blickte auf ihre Uhr; es war kurz nach zwei. Für Viertel nach drei war sie mit Dr. Dubchek verabredet. Am Vortag hatte sie bei dessen Sekretärin einen formellen Antrag auf Zugangserlaubnis zum Hochsicherheitslaboratorium eingereicht und hervorgehoben, es gehe ihr dabei um experimentelle Forschung zur Übertragbarkeit des Ebola-Virus. Marissa war nicht sonderlich zuversichtlich in bezug auf Dubcheks Stellungnahme. Seit ihrer Rückkehr aus Los Angeles hatte er sie völlig ignoriert.
Ein Schatten fiel auf die Seite des Buchs vor ihr, und Marissa blickte automatisch hoch. »Na sowas! Sie lebt also noch!« erklang da eine ihr vertraute Stimme.
»Ralph!« flüsterte Marissa, gleichermaßen erschrocken durch sein unerwartetes Auftauchen hier in der Bibliothek des Seuchenkontrollzentrums wie den lauten Klang seiner Stimme. Schon wandten sich ihnen ein paar Köpfe zu.
»Es gab ja ein paar Gerüchte, daß es Sie noch gibt, aber ich mußte mich doch selbst davon überzeugen«, fuhr Ralph fort und nahm keine Notiz von Mrs. Campbells vorwurfsvollen Blicken. Marissa machte Ralph ein Zeichen, doch leise zu sein, und führte ihn dann in den Gang hinaus, wo sie ungestört sprechen konnten. Sie fühlte eine Welle der Zuneigung, als sie zu seinem Willkommenslächeln hinaufblickte.
»Es ist wirklich schön, Sie zu sehen«, sagte Marissa und umarmte ihn. Sie hatte Gewissensbisse, weil sie nach der Rückkehr nach Atlanta nicht wieder Kontakt mit ihm aufgenommen hatte. Immerhin hatten sie während ihres Aufenthalts in Los Angeles ungefähr einmal pro Woche miteinander telefoniert. Als ob er ihre Gedanken lesen könnte, sagte Ralph: »Warum haben Sie mich denn nicht angerufen? Dubchek sagte mir, Sie seien schon seit vier Tagen zurück.«
»Heute abend wollte ich Sie anrufen«, versicherte sie, bestürzt darüber, daß Ralph sich Informationen über sie bei Dubchek beschaffte.
Sie gingen hinunter in die Cafeteria, um dort einen Kaffee zu trinken. Um diese nachmittägliche Stunde war der Raum fast leer, und sie wählten einen Tisch an einem Fenster, das auf den Hof hinausging. Ralph sagte, er sei gerade auf dem Weg vom Krankenhaus zu seiner Praxis und hätte sie einfach noch vor dem Abend erreichen wollen. »Wie wär’s mit einer Einladung zum Abendessen?« fragte er, wobei er sich nach vorne beugte und seine Hand auf Marissas Rechte legte. »Ich brenne darauf, Einzelheiten über Ihren Sieg über den Ebola-Virus in Los Angeles zu hören!«
»Ob man einundzwanzig Tote als Erfolg feiern kann, scheint mir doch recht zweifelhaft«, meinte Marissa. »Schlimmer aber ist, daß wir unter epidemiologischem Blickwinkel versagt haben - wir konnten nicht herausfinden, woher der Virus eigentlich gekommen war. Es muß aber
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