Marissa Blumenthal 01 - Virus
nach dem Weg zur Cafeteria fragte. Während sie den Gang hinunterlief, wunderte sie sich über sich selbst und fragte sich, woher sie eigentlich den Mut genommen hatte. Niemals zuvor hatte sie sich getraut, sich gegen eine Autorität zu stellen so wie gerade vorhin. Aber sie fühlte sich immer noch schlecht, wenn sie sich an Dubcheks Gesicht erinnerte, als er sie aus seinem Büro wies. Im Ungewissen, was sie tun solle, und ganz sicher, daß damit ihre Karriere als EIS-Beamtin beendet sei, war sie ziellos herumgefahren, bis ihr Ralph eingefallen war und sie sich entschlossen hatte, ihn um Rat zu fragen. Sie hatte ihn zwischen zwei Behandlungsterminen am Telefon erreicht, und er hatte sich einverstanden erklärt, sich mit ihr zum Mittagessen zu treffen.
Die Cafeteria der Universitätsklinik war mit ihren gelb gedeckten Tischen auf dem weißen Fliesenboden sehr gemütlich. Marissa sah, wie Ralph von einem Ecktisch herüberwinkte.
Mit seiner gewohnten Höflichkeit stand Ralph auf, als Marissa näher kam, und zog einen Stuhl für sie heran. Obwohl sie fast am Weinen war, lächelte Marissa. Seine galanten Manieren standen in einem gewissen Widerspruch zu seiner zerknautschten Arbeitskleidung.
»Herzlichen Dank, daß Sie sich die Zeit nehmen, sich mit mir zu treffen«, sagte sie. »Ich weiß ja, wie beschäftigt Sie sind.«
»Ach Unsinn«, entgegnete Ralph. »Für Sie habe ich doch immer Zeit. Sagen Sie mir, was Sie für Schwierigkeiten haben. Sie wirkten am Telefon wirklich sehr aufgeregt.«
»Holen wir uns lieber erst mal was zu essen«, sagte Marissa.
Die Unterbrechung war nützlich; Marissa hatte ihre Gefühle schon besser unter Kontrolle, als sie mit ihren Tabletts an den Tisch zurückkamen. »Ich habe einigen Ärger am Seuchenkontrollzentrum«, bekannte sie dann. Sie berichtete Ralph von Dubcheks Verhalten in Los Angeles und dem Vorfall in seinem Zimmer. »Von da an wurden die Dinge schwierig. Kann schon sein, daß ich mich nicht so verhalten habe, wie ich es wohl hätte tun sollen, aber ich meine auch, daß es nicht nur meine Schuld war. Alles in allem war das ja schon so eine Art von sexueller Belästigung.«
»Das klingt aber eigentlich gar nicht nach Dubchek«, meinte Ralph mit einem Stirnrunzeln.
»Aber Sie glauben mir doch, oder nicht?« fragte Marissa.
»Natürlich«, versicherte Ralph ihr. »Doch ich bin mir nicht sicher, ob Sie alle ihre Probleme auf diese dumme Geschichte schieben können. Sie müssen eben daran denken, daß das Seuchenkontrollzentrum eine staatliche Behörde ist, auch wenn die Leute diese Tatsache gerne verdrängen.« Ralph machte eine kleine Pause, um einen Bissen von seinem Sandwich zu nehmen, und sagte dann: »Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Aber sicher«, antwortete Marissa.
»Glauben Sie, daß ich Ihr Freund bin und mir Ihre Interessen am Herzen liegen?«
Marissa nickte und war gespannt, was folgen würde.
»Dann darf ich offen sprechen. Es ist mir zu Ohren gekommen, daß gewisse Leute am Seuchenkontrollzentrum nicht sonderlich glücklich über Sie sind, weil Sie nicht der offiziellen Linie folgen. Ich weiß, daß Sie nicht gekommen sind, um einen solchen Rat von mir zu hören, aber ich gebe ihn Ihnen trotzdem. In einem bürokratischen System müssen Sie nun einmal Ihre persönliche Meinung für sich behalten, bis vielleicht einmal der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Um es hart zu sagen - Sie müssen lernen, den Mund zu halten. Ich weiß das, denn ich habe schließlich eine gewisse Zeit beim Militär verbracht.«
»Offenbar beziehen Sie sich dabei auf meine Einstellung gegenüber Ebola«, sagte Marissa kämpferisch. Selbst wenn ihr klar war, daß Ralph recht hatte, so hatte sie doch seine Bemerkung verletzt. Sie war der Meinung gewesen, daß sie alles in allem gute Arbeit geleistet hatte.
»Ihr Standpunkt in bezug auf den Ebola-Virus ist nur eine Sache. Sie haben sich einfach nicht als ›Mannschaftsmitglied‹ verhalten.«
»Wer hat Ihnen denn das gesagt?« fragte Marissa herausfordernd.
»Ihnen das zu sagen ist keine Lösung des Problems«, gab Ralph zurück.
»Aber meinen Mund zu halten auch nicht. Ich kann einfach den Standpunkt des Seuchenkontrollzentrums hinsichtlich Ebola nicht akzeptieren. Da gibt es zu viele Widersprüche und ungeklärte Fragen, und auf eine stieß ich gerade letzte Nacht während meines ungenehmigten Besuchs im Hochsicherheitslabor.«
»Und worum ging es da?«
»Es ist doch bekannt, daß sich der Ebola-Virus ständig verändert.
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