Mark Brandis - Aufstand der Roboter (Weltraumpartisanen) (German Edition)
wurde dann auch nicht von den Pädagogen gelöst, sondern von den Medizinern. Erinnern Sie sich daran, daß es vor einigen Wochen so etwas wie eine neue Verhaftungswelle im Machtbereich des Generals gegeben hat? Wir sprachen kurz darüber.«
Harris neigte in zurückhaltender Zustimmung den Kopf. »Ich erinnere mich sehr gut. Vor allem erstaunte uns hierbei die sogenannte positive Auslese , die dabei getroffen wurde.«
»So ist es, Sir«, bestätigte Sun Yen Tsan. »Damals haben wir uns gewundert, daß der General seine treuesten Anhänger verhaften und hinrichten ließ. Heute wissen wir, weshalb er das tat, und unter welchen Gesichtspunkten die III. Abteilung ihre schwarzen Listen aufzustellen hatte.«
»Ich höre«, sagte der Präsident.
»Es wurde verhaftet«, sagte Sun Yen Tsan, »wer nachweisbar besonders brutal und besonders furchtlos war und – wer noch nie in seinem Leben am General und der Reinigenden Flamme gezweifelt hatte.«
»Warum?« fragte John Harris.
»Weil die Mediziner inzwischen eins herausgefunden hatten, Sir: Intelligenz als Wissen braucht nicht unbedingt erst mühevoll erworben zu werden. Sie ist von einem Menschen auf den anderen übertragbar. Um es mal mit ganz einfachen Worten auszudrücken, Sir: Sie nehmen das Gehirn eines Menschen, pulverisieren es, und Sie halten damit seinen ganzen Erfahrungsschatz in den Händen. Alles, was er ererbt hat an Instinkten, alles was er im Verlauf der Jahre hinzugelernt hat, ist darin auf alle Zeiten gespeichert. Und jetzt kommt das Diabolische. Mittels einer Spritze können Sie diese gespeicherten Erfahrungen auf jeden beliebigen anderen Menschen übertragen. Auch auf den Homo Factus. Das Ergebnis ist dann ein menschenähnliches Wesen, ein durchaus intelligenter Roboter. Mit einem Vorzug: seine Denkweise ist durch die ihm zugeführten Erfahrungen programmiert. So wird er zum Beispiel nie imstande sein, die Rechtmäßigkeit eines Befehls, den der General ihm gibt oder übermitteln läßt, in Frage zu stellen. Mit anderen Worten, Sir: Der Homo Factus ist der perfekte Untertan!«
Präsident Harris war bleich geworden. Er erhob sich aus dem Sessel, in dem er gesessen hatte, ging ein paarmal im Raum – in dem einst der oft verkannte Preußenkönig seine Flötenkonzerte gegeben hatte – auf und ab und blieb dann abrupt vor Sun Yen Tsan stehen.
»Sagen Sie mir, wo diese Experimente stattfinden, Exzellenz, und ich werde meine schnellsten Schiffe darauf ansetzen!«
Das Gesicht des kleinen alten Chinesen blieb undurchdringlich. »Sir, auf der ganzen Welt gibt es nur ein einziges Schiff, das einen solchen Angriff fliegen könnte, und ausgerechnet dies« – Sun Yen Tsan stieß seinen knochigen Daumen in den Himmel – »ist Ihnen irgendwo dort abhanden gekommen. Ich rede von Delta VII.« Der Botschafter seufzte ein wenig, bevor er ein neues Lächeln in sein Antlitz zauberte. »Davon abgesehen, Sir, hätten Sie durch einen solchen Angriff nichts zu gewinnen. Die Produktion des Homo Factus könnte im Handumdrehen an einem anderen Ort wieder aufgenommen werden. Es gibt nur eine Möglichkeit, den General zu stoppen, bevor er uns mit seinen blondhaarigen und blauäugigen Mißgeburten überschwemmt. So jedenfalls urteilt unser Geheimdienst.«
»Welche Möglichkeit?« fragte Harris, der es längst aufgegeben hatte, den Skeptiker zu spielen. Hinter dem asiatischen Lächeln, so spürte er, war der VOR-Botschafter genauso betroffen und bestürzt wie er selbst.
Sun Yen Tsan hob ein wenig die schmächtigen Schultern. »Über diesen Punkt wahrt unser Geheimdienst leider Stillschweigen, Sir. Es heißt, bevor man sich endgültig festlegt, müßte man noch einige Experimente abwarten. Ich persönlich neige zu der Ansicht, man müßte die Übertragung dieser Gehirnsubstanzen sabotieren. Die Frage bleibt nur: Wie stellt man das an?«
»Wir werden uns mit dieser Frage beschäftigen«, versprach Präsident Harris, bevor er die Audienz beendete, um sich erneut den dringenden Tagespflichten zuzuwenden. Er verabschiedete den Botschafter der Vereinigten Orientalischen Republiken, indem er ihm die linke Hand zum Gruße reichte. Die rechte konnte er ihm nicht geben. Sie lag mitsamt dem dazugehörigen Arm im Sande der Sahara: Preis für einen flüchtigen Sieg über die Treuesten der Treuen, die General Gordon B. Smith damals aufzubieten hatte: die Tödliche Garde .
Nachdem der Botschafter gegangen war, verblieb dem Präsidenten genau eine Minute, um sich auf das Gespräch mit dem
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