Mark Brandis - Raumsonde Epsilon
Befehl!«
Kapitel 10
Am 11. Februar, 23.17 Uhr Bordzeit, nahmen Warten und Untätigkeit ein Ende.
Major Robert D. Young – klein, drahtig und steif wie ein Besenstiel – betrat die Hermes, legte die Hand an die Mütze und knarrte: »Auf Befehl des Ministers unterstelle ich hiermit Schiff und Besatzung dem Militärrecht!«
»Ich begrüße Sie an Bord, Major«, erwiderte ich. »Mr. Romen wird Sie mit den Räumlichkeiten des Schiffes vertraut machen. Wenn Sie vor der G-Zeit noch etwas zu sich nehmen wollen, sollten Sie sich beeilen.«
Ein schnelles Kurierschiff der neuen Andromeda-Klasse hatte den Major zum vereinbarten Rendezvous-Ort gebracht. Kaum, daß er übergestiegen war, wurden die Verbindungen gelöst. Letzte Funksprüche schwirrten von Schiff zu Schiff.
Die Schiffe begannen auseinanderzutreiben. Das Kurierschiff verwandelte sich in einen Lichtpunkt auf dem Brückenmonitor – wurde kleiner und kleiner und erlosch. Der Raum um die Hermes war wieder leer.
Major Young bestätigte, was Minister Nekrassow bereits angedeutet hatte: die VOR waren über die Epsilon-Bootes-Sonde im Bilde. Die Meldung stammte von einem Doppelagenten.
»Aber was bedeutet das schon, daß sie im Bilde sind?« meinte Major Young mit der gebührenden militärischen Steifheit. »Diesmal sind sie zu spät aufgestanden. Bevor sie eine Expedition ausgerüstet und losgejagt haben, sind wir mit der Sonde längst in Metropolis. Es sei denn, sie würden versuchen, sie uns abzujagen – in diesem Fall bekämen sie‘s mit unserer Eskorte zu tun, die bereits auf dem Weg ist.«
Zu meiner Beruhigung traf Major Young keinerlei Anstalten, in die Schiffsführung einzugreifen, sondern begnügte sich mit der ihm zugewiesenen Rolle eines Repräsentanten der EAAU-Militärmacht.
Nach kurzer Besprechung zog er sich in die Messe zurück, um dort, wie ich ihm angeraten hatte, einen kleinen Imbiß zu sich zu nehmen.
Er hinterließ einen positiven Eindruck: ein Mensch ohne Humor, dafür jedoch genau und gewissenhaft. So war er mir auch vom Vorsitzenden des Rats für äußere und innere Sicherheit geschildert worden.
Hätte ich ahnen müssen, daß dieser Anschein trog?
Um Mitternacht begaben wir uns in die Hydrokammer. Die Hermes begann mit der Beschleunigung. Nach reiflicher Überlegung hatte ich beschlossen, in eine Umlaufbahn um den Uranus einzutreten, um dann die Epsilon-Bootes-Sonde ein letztes Mal orten zu lassen.
Diese Flugphase verlief ohne erwähnenswerte Vorkommnisse.
Zum vorprogrammierten Zeitpunkt kehrten wir auf unsere Stationen zurück.
Eine Korrektur des Kurses, so erwies es sich, war nicht erforderlich.
Schnell, sicher und zuverlässig hatte die Hermes die gewaltige Entfernung bewältigt. Die Bremsdüsen waren bereits in Aktion getreten. Die Annäherung an den Planeten Uranus erfolgte mit gedrosselter Geschwindigkeit.
Zweieinhalb Jahre nur waren vergangen, seit zum erstenmal ein Mensch seinen Fuß auf dieses unheimliche, abweisende Gestirn gesetzt hatte – und was damals noch eine weltbewegende Pioniertat gewesen war, erschien jetzt bereits als reine Routine. Die Triebwerke waren stärker geworden, die Legierungen beständiger, die Schiffe schneller; und sowohl in der EAAU als auch in den VOR bereiteten Militärs und Wissenschaftler die ersten Expeditionen vor, die aus unserem noch nicht vollends eroberten Sonnensystem hinausführen sollten. Man beschäftigte sich ernsthaft mit dem Einfrieren von Besatzungen und dem Überwinden der Zeitschwelle.
Für alle diese Projekte – daran bestand kein Zweifel – war die Epsilon-Bootes-Sonde ein wertvolles, geradezu unentbehrliches Lehrstück: Falls es gelang, diese Büchse der Pandora einzuschleppen und zu öffnen, konnte man von den Erfahrungen und Errungenschaften einer fortschrittlicheren und daher überlegeneren Zivilisation profitieren.
Jedesmal, wenn das Gespräch auf die Sonde kam, begannen Major Youngs Augen zu leuchten und zu glitzern. Ich schrieb dies der natürlichen menschlichen Neugier zu, gegen die auch ich nicht gefeit war. Vor uns lag immerhin die aufregendste wissenschaftliche Entdeckung des Jahrhunderts – eine Entdeckung, die ohne Beispiel war.
Unsere Zivilisation war aus sich selbst gewachsen; sie war das Werk des Menschen und der menschlichen Intelligenz. Kein fremder Geist hatte Pate gestanden. Schritt für Schritt hatte sich der Mensch seinen Weg aus grauer Vorzeit bis in die Gegenwart gebahnt, und alles auf diesem Weg, das Gute wie das Schlechte, trug seinen
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