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Mark Brandis - Raumsonde Epsilon

Mark Brandis - Raumsonde Epsilon

Titel: Mark Brandis - Raumsonde Epsilon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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enden mußte – ein Gesichtspunkt, der freilich noch nicht den Ausschlag gab. Jedes Schiff, auch das beste, läßt sich nachbauen. Daher also zum zweiten Argument: Oberst Khan und seine Besatzung. Reiner Zufall wollte es, daß dieses gefährliche Spiel um die Macht nicht mit vertauschten Rollen gespielt wurde. Ein jeder Oberst X der EAAU, der den VOR ein ähnlich wichtiges Objekt entriß, wäre in Metropolis als moderner Siegfried gefeiert worden. Schuld an dieser ganzen Entwicklung war eine Politik, die auf ein Gleichgewicht der Kräfte abzielte, statt sich um ein Gleichgewicht der Brüderlichkeit zu bemühen. Militärs – ihre Art zu denken und zu handeln – sind immer nur das Produkt jener Welt, die sie besoldet. Von Anfang an dazu erzogen, nur in den Kategorien Macht und militärische Stärke zu denken, sind sie zwangsläufig amoralisch. Ihre einzige Moral ist die militärische Überlegenheit ihres Vaterlandes. Und in diesem abgesteckten Rahmen hatte Oberst Khan konsequent und tapfer gehandelt – tief davon überzeugt, daß nicht er, sondern jene Handvoll ‚friedfertiger Zivilisten‘, die sein Land regierte, von der Geschichte zu Verrätern gestempelt würde.
    Dies mußte gesagt werden, um den psychologischen Hintergrund der Tragödie aufzuhellen.
    Auch die Wiederholung des Blinkspruchs blieb ohne aufschiebende Wirkung.
    Lieutenant Simopulos‘ Aufschrei erreichte mich. »Brücke, Brücke! Die Hermes greift an!«
    Es war mir nicht entgangen. Die Hermes – geführt von einem mir unbekannten Piloten der Vereinigten Orientalischen Republiken – hatte zum Sprung angesetzt. Oberst Khan, Nachfahre kriegerischer Mongolenfürsten, suchte, um seine waffentechnische Unterlegenheit auszugleichen, den Nahkampf.
    Mit angehaltenem Atem starrte ich auf das Bild, das die Teleskoportung auf die langgestreckte Projektionsfläche einspiegelte. Ein Terrier schickte sich todesverachtend an, sich auf eine riesige Bulldogge zu stürzen – und einen verwehenden Augenblick glaubte ich, Oberst Khans lederhäutigen Kugelkopf mit den leicht schrägstehenden dunklen Mandelaugen zu sehen. Die Vision verflog, und nichts blieb übrig als ein unzulänglich bestücktes Expeditionsschiff, das die Flucht nach vorn angetreten hatte, bestrebt, der Bulldogge, von der es sich hatte überraschen lassen, den tödlichen Biß zu versetzen, bevor es selbst daran glauben mußte.
    Auch Lieutenant Stroganow spürte das Außergewöhnliche dieses Angriffs. In seiner Stimme lag ein spürbarer Hauch von Bewunderung, als er sagte: »Weiß Gott, Sir, er glaubt, er könnte hier den David spielen!«
    Unmittelbar darauf entlud sich das Energiepaket der Hermes, und das Cockpit war erfüllt vom knisternden Geräusch der auftreffenden Strahlen. Das Triebwerk zündete. Sicher und schnell zog ich die Zeus aus der Gefahrenzone.
    Die Energieeinwirkung war zu kurz und zu flüchtig gewesen. Dank ihrem gutgepanzerten Genick war die Bulldogge unversehrt.
    »Brücke an FK! Blinkspruch an die Hermes!«
    »Noch einen Blinkspruch, Sir?«
    Lieutenant Merciers Stimme klang bestürzt und ungläubig.
    »Geben Sie durch, Lieutenant: ‚Zeus an Hermes. Sie haben keine Chance! Bei der nächsten feindseligen Handlung schieße ich zurück! Geben Sie auf!‘ Haben Sie das?«
    »Aye, aye, Sir.«
    »Brücke an RC! Wo ist die Hermes geblieben?«
    »Sie müßte jetzt vor der Sonne stehen. Sir. Ich habe sie nicht auf dem Schirm.«
    Oberst Khan versuchte gleichzuziehen. Diesmal wollte er die Überraschung auf seiner Seite haben. Daß er sich nur auf Sonnenposition manövrierte, um sich besser aus dem Staub machen zu können, war unwahrscheinlich. So zu handeln entsprach nicht seinem Stil. Er zog sich zurück, um zum gegebenen Zeitpunkt aus dem Hinterhalt wieder hervorzubrechen.
    Wie gut war der Nachrichtendienst der VOR? Waren Oberst Khan die verwundbaren Stellen eines Schweren Kreuzers der Delta-Klasse bekannt?
    »FK an Brücke! Sir, die Hermes gibt auch diesmal keine Antwort.«
    »Danke, FK. Wir wissen jetzt, woran wir sind.«
    Im Grunde wußten wir das schon längst: Oberst Khan wies jedes Einlenken weit von sich. Es war wie bei einem jener mittelalterlichen Duelle. Sobald das Visier zuklappte, sprachen die Waffen. Nur ich wollte das nicht wahrhaben; bis zuletzt klammerte ich mich an einen Strohhalm, Vernunft genannt.
    Oberst Khans Verhalten hatte mit Vernunft nichts gemein – und dennoch betete ich darum, er möge es mir ersparen, die ihm übermittelte Drohung in die Tat

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