Mark Brandis - Testakte Kolibri
los, Kolibri -Tower? Mein Schiff fängt an, sich zu beschweren. Kommen!«
Romen meldete sich, seine Stimme klang belegt. »Gerade wollte ich Sie rufen, Commander. Es hat da eine kleine Verzögerung gegeben. Aber jetzt läuft alles an. Kommen!«
Der Schweiß brannte mir plötzlich in den Augen. »Was für eine Verzögerung, Romen? Kommen!«
Romen mußte sich räuspern, bevor er mir Antwort geben konnte.
»Forester stand ziemlich am Rand des Warteraumes, Sir. Er hat Ihre Position und läuft, was das Zeug hält. Aber eine halbe Stunde müßten Sie schon noch durchhalten. Kommen!«
Eine halbe Stunde! Ein neues Geräusch alarmierte mich. Mein Herzschlag war auf einmal laut und unruhig geworden.
» Kolibri -Tower, an mir soll‘s nicht fehlen. Aber ich befinde mich auf Tiefe Zwo-Neun – und draußen schlägt jemand mit einem großen Hammer gegen das Schiff. Kommen!«
Romen antwortete mit zwei, drei Sekunden Verzögerung:
»Ich weiß, Nummer Zwei . Aber ich kann es nicht ändern. Kapitän Forester läßt Ihnen ausrichten, daß er Ihnen trotz allem eine Chance gibt. Haben Sie das verstanden, Sir? Kommen!«
»Hand aufs Herz, Romen! Wie groß ist diese Chance? Kommen!«
Romens Schlucken war deutlich zu hören.
»Also, wenn Sie mich so fragen, Sir – sie ist nicht sehr groß. Wir treiben Forester natürlich an. Vielleicht kann er ja auch noch ein paar Minuten einsparen. Halten Sie mich jetzt auf dem laufenden. Kommen!«
Kolibri -Tower mochte warten. Ich brauchte etwas Zeit, um mit mir selbst ins reine zu kommen.
Das Urteil war also gesprochen – überflüssig, sich da etwas vorzumachen. Ein paar Minuten mehr, ein paar Minuten weniger – an der halben Stunde war nicht zu rütteln. Das Rennen lief, aber es war bereits entschieden.
In einer halben Stunde würde ich mich, falls keine Änderung der Sinkgeschwindigkeit eintrat, worauf nichts hindeutete, in einer Tiefe von viertausendundachthundertfünfzig Metern befinden – in einem längst geborstenen Schiff.
Zum erstenmal stand ich kurz davor, die Fassung zu verlieren.
»Nummer Zwei , Nummer Zwei – was ist mit Ihnen, daß Sie nicht antworten? Ich warte auf Ihre Meldung, Sir. Kommen!«
Stafford – gleichgültig, wie er gestorben war – hatte bis zuletzt die Haltung bewahrt. Die Erinnerung daran verpflichtete mich. Ich durfte ihm nicht nachstehen.
»Nummer Zwei , Kolibri -Tower. Ich bin jetzt auf Tiefe Drei-Null und bewege mich weiter abwärts. Das Schiff wird wohl bald auseinanderbrechen, auf jeden Fall hört sich das so an. Wie ist bei ihnen oben das Wetter? Kommen!«
»Strahlender Sonnenschein, Nummer Zwei . Ich wollte, ich könnte Ihnen etwas davon hinunterschicken. Aber besser noch, wir holen Sie selber rauf. Ich bitte Sie, Sir, haben Sie Geduld! Kommen!«
Mein Kolibri schrie und kreischte. Der helle Tag war dreitausendeinhundert Meter weit entfernt. Gab es ihn überhaupt noch? War ich wirklich je im kalten, feierlichen Licht der Sterne geflogen? Was hinter mir lag, war nur noch ein unwirklicher Traum. Vor mir lag der schweigende Abgrund. Der Zusammenbruch stand unmittelbar bevor.
Im Kolibri -Tower wartete man angstvoll auf meine Meldung. Ich glaubte Romen und die beiden Controller vor mir zu sehen – mit ihren weißen, betretenen Gesichtern, mit all ihrer verzweifelten Hilflosigkeit. Ein letztes Lebenszeichen war ich ihnen schuldig. Und außerdem: wenn ich schon meine Lebensrechnung jetzt abschließen mußte, so konnte ich für Kolibri vielleicht doch noch etwas Nützlicheres unternehmen als einen Flug zu den Sternen ohne Wiederkehr.
»Die Zwei noch einmal, Kolibri -Tower. Ich bin jetzt auf Tiefe Drei-Zwo, auf Tiefe Drei-Zwo. Ich glaube, hier geht es zu Ende. Was mich interessiert, sind die Verhältnisse auf dem Meeresgrund. Wie ist er beschaffen? Kommen!«
Eine Weile mußte ich warten, bis Romen zurückrief. Wahrscheinlich hatte er erst auf der Karte nachsehen müssen.
»Ich verstehe den Sinn Ihrer Frage nicht, Nummer Zwei , aber ich bin in der Lage, sie zu beantworten. Sie befinden sich hundertundzwanzig Meilen südwestlich von Espiritu Santu, und der Meeresboden besteht in Ihrem Seegebiet durchweg aus Sand. Was haben Sie vor, Commander? Kommen!«
Das Schiff brach auseinander, und Forester war mit seinern U-Boot noch meilenweit von mir entfernt. Auf ihn konnte ich nicht länger warten.
Die Innenbeleuchtung ging von selbst wieder an, als ich den Strom einschaltete. Summend meldeten sich die abgestellten Aggregate.
Die Trimmanlage
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