Mark Bredemeyer
mir in den nackten Bauch. Er war ein hochgewachsener, weißbrauner Mischlingsrüde und mein ganzer Stolz. Kurz kraulte ich ihm die Ohren und schwang dann die Decke zurück. Empört versperrte mir Bruno den Weg. Er wollte mir damit zu verstehen geben, dass die Begrüßungszeremonie noch längst nicht abgeschlossen sei. Also widmete ich dem intensiven Kraulen und Massieren seines massigen Kopfes eine weitere Minute. Schwer seufzend neigte er den Schädel und ließ sich die Massage genießerisch gefallen.
Schließlich schob ich ihn gegen seinen Widerstand weg und zog die Vorhänge vor dem Fenster auf. Ein strahlend blauer Himmel begrüßte mich an diesem letzten Tag des Winters. Das laute Zwitschern der zahlreichen Gartenvögel, welches nach dem Öffnen des Fensters ins Schlafzimmer drang, ließ überhaupt keinen Zweifel am morgigen Frühlingsbeginn aufkommen. Gemächlich zog ich mich an, während Bruno jede Gelegenheit dazu nutzte, mir dabei im Weg zu sein. Er hatte nie so richtig begriffen, dass massives Drängeln nicht zu einer Beschleunigung meiner Aktivitäten führte, sondern eher zu einer Verlangsamung. Natürlich verzieh ich es ihm gern! Ich schaffte es auch – trotz der Behinderungen durch den Hund – in meine Hosen zu schlüpfen und schlurfte träge ins Badezimmer.
Erfrischt und fertig für den Tag freute ich mich auf einen Kaffee. Was wäre ein Morgen bloß ohne Kaffee und Nachrichten? Für mich gehörten diese Dinge zu meinem morgendlichen Ritual dazu, so wie das Anziehen oder die Morgentoilette im Badezimmer. Ich versorgte den natürlich halb verhungerten Hund und ging dann mit meinem dampfenden Kaffeepott ins Wohnzimmer, um den Fernseher einzuschalten.
Das alte Haus war ziemlich ausgekühlt, was mich ein wenig frösteln ließ. Ich versuchte, den Winter über weitestgehend ohne Heizung auszukommen und mit Feuer im offenen Kamin die nötige Wärme zu erzeugen. Allerdings brannte dieses meist bereits mitten in der Nacht ganz herunter und natürlich legte ich dann kein Holz mehr nach. Der Verzicht auf Heizöl sparte mir sehr viel Geld – zumal das Haus um 1910 gebaut worden war und gerade die Außenwände nie eine zusätzliche Isolierung bekommen hatten. Die charmante alte Bauernkatenoptik war so zwar erhalten geblieben, aber dies hatte eben seinen Preis. Bruno störte das naturgemäß nicht, ich selbst behalf mir einfach mit dicken Pullovern und Wollsocken.
Direkt beim Kamin stand der alte Ohrensessel aus grünem Samt, welcher schon der Lieblingsplatz meines Opas gewesen war. Früher hatte ich oft die Ferien bei meinen damals noch hier lebenden Großeltern verbracht. Nachdem sie vor rund zehn Jahren kurz hintereinander gestorben waren, erbte das Haus mein alleinstehender Onkel Armin, ihr ältester Sohn.
Im selben Jahr kamen dann auch noch meine Eltern bei einem tragischen Verkehrsunfall auf der nahen Autobahn 1 ums Leben. Mütterlicherseits hatte ich schon lange gar keine mir bekannten Verwandten mehr, sodass mein Onkel der einzige Angehörige war, der mir verblieb. Trotzdem hatten wir in der folgenden Zeit so gut wie keinen Kontakt zueinander. Ich wohnte damals im nahen Oldenburg und er war eigentlich nie zu Hause.
Meine Großeltern hatten wohl gehofft, mein Onkel würde sich um ihr geliebtes Grundstück sowie das Waldhäuschen angemessen kümmern und dadurch einen Ankerpunkt in seinem Leben finden, doch Onkel Armin hatte immer schon wenig Interesse an einem bürgerlichen Leben gezeigt. Mit Herz und Seele hatte er über 15 Jahre als Zeitsoldat und Offizier bei der Bundeswehr, oft im Ausland, gedient, bis er dann plötzlich unehrenhaft entlassen wurde. Eigentlich wusste ich aber nie genau, was er dort so getrieben hatte. Offenbar gehörte er irgendeiner Spezialeinheit an und war jahrelang im Bosnienkrieg, später in Afghanistan eingesetzt worden. Er meinte immer, er dürfe nicht darüber sprechen, da seine Aktivitäten dem Dienstgeheimnis unterlägen.
Mit seinem Leben außerhalb des Militärs hatte er diverse Probleme gehabt. Im Dorf gab es schon bald Gerüchte, er wäre in Waffengeschäfte und andere zwielichtige Aktivitäten verwickelt. Angeblich hatte er Alkohol- sowie Medikamentenprobleme, sogar von einer Sucht wurde hier und dort getuschelt. Im Zusammenhang mit einem Apothekeneinbruch war später polizeilich gegen ihn ermittelt worden. Ob dies nun der Wahrheit entsprach, wusste ich bis heute nicht, da ich diese Dinge immer nur von Bekannten aus der Gegend durch Hörensagen erfuhr. Jedenfalls
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