Mark Tate - 012 - Nachts gruselt's sich leichter
Mädchen los? So kannte er die Kleine gar nicht.
Er zuckte die Achseln.
»Na, dann ist ja alles in bester Butter. Ich wünsche gute Besserung, Marietta!«
Er schlug die Tür zu und fuhr winkend davon.
Mariettas Gesicht verzerrte sich zur haßerfüllten Grimasse, als sie ihm nachschaute.
Ob er es im Rückspiegel sah?
Ihr war das egal. Alles war ihr letztlich egal.
Was zählte, war nur ihr Vorhaben.
*
Marietta Bickford packte ihre Schultasche fester unter den Arm. In ihr befanden sich nicht nur Dinge, die man für den Unterricht brauchte.
Marietta hatte alles gut vorbereitet.
Eine winzige Träne rollte ihr über die Wangen. Ärgerlich wischte sie sie weg.
»Du mußt dich in der Gewalt haben«, murmelte sie vor sich hin. »Bald wird alles besser werden.«
Sie hatte einen recht weiten Weg vor sich.
Quer über den Markt führte er genau in die Richtung, aus der John Holleway mit seinem Wagen gekommen war.
Sie verscheuchte den Gedanken an ihn. Unangenehm war ihr, daß sie an seinem Haus vorbei mußte, wo er mit seiner Familie wohnte.
Mit Gewalt drängt sich ihr noch einmal die Erinnerung auf:
John Holleway war angeblich immun gegen die Beeinflussungen der Schwarzen Magie.
Wie manche Menschen nicht hypnotisiert werden können, so war es einem Magier nicht möglich, John mit magischen Mitteln zu beeinflussen.
Das war Kasimir Cassdorf damals zum Verhängnis geworden.
Kasimir Cassdorf – so hatte der Schreckliche geheißen, der in seiner Hexenküche die Kräfte des Bösen beschworen hatte, um Macht über die Menschen zu erlangen.
Marietta schauderte bei dem Gedanken an den Magier. Es waren angenehme Schauer.
»Bald, Gebieter, bald wirst du mich in deine eisigen Arme nehmen können. Dann werde ich für alle Ewigkeit dein sein«, versprach sie mit bebender Stimme.
*
John Holleway fuhr nicht sehr weit. Unruhe hatte ihn ergriffen, und er kam nicht dagegen an.
Kurz vor dem Ortsausgang bremste er, ließ den Wagen zum Straßenrand rollen. Grübelnd blieb der junge Mann sitzen.
»Was ist mit Marietta los?« fragte er sich.
Auch ihm war ihre Veränderung in den letzten Wochen nicht verborgen geblieben.
Marietta war immer ein schüchternes, wortkarges Mädchen gewesen. Nun wirkte sie verschlossen und abweisend. – »Kein Wunder – bei diesen Eltern!«
Er hatte sich oftmals darüber geärgert, wie die Bickfords mit ihrer Tochter umgingen, aber letzten Endes war das nicht seine Sache.
Er durfte sich da nicht einmischen. Ihr Verhalten war für viele Bewohner solch kleiner abgelegener Ortschaften typisch.
John schaute sich um.
»Na, ganz so klein ist Bredhouse nun doch nicht«, murmelte er. »Außerdem hat es eine lange Geschichte.«
Seine Gedanken kehrten wieder zu Marietta zurück.
Was hatte das Mädchen behauptet? Es sei krank und würde mit dem Vater nach Furlington fahren?
Warum hatte sie dann die Schultasche dabei?
John Holleway wurde auf einmal ganz hellwach.
Er wendete den Wagen und kehrte zurück. Bald hatte er den Marktplatz erreicht.
Von Marietta fehlte jede Spur.
John lenkte sein Fahrzeug in die Richtung, in der das Mädchen wohnte.
»Heute morgen werde ich wohl zu spät in die Bank kommen.«
Er zuckte die Achseln.
»Na ja, warum soll es immer nur bei den anderen vorkommen?«
Er fuhr bis zum Haus der Bickfords und wollte schon stoppen, um hineinzugehen und zu fragen, aber dann kam er sich auf einmal lächerlich vor.
Was, wenn er Gespenster sah? Er würde die Bickfords nur unnötig ängstigen.
Kurz entschlossen gab John Gas und fuhr davon. Hoffentlich hatte ihn das Ehepaar nicht gesehen.
Auf Umwegen erreichte er den Marktplatz erneut.
Und dann gab er einer inneren Eingebung nach und fuhr in die Richtung, in der er selber wohnte.
Sein Haus befand sich ein wenig außerhalb, kauerte sich an einen erst sanft und dann immer steiler ansteigenden Hang.
Es war nicht leicht gewesen, das Gelände ringsum mit Rasen und Blumen anzulegen. Schon Johns Schwiegereltern hatten das Kunststück geschafft.
Er selber stammte aus der Kreisstadt Furlington.
»Verdammt«, entfuhr es ihm.
Er hatte weiter vorn den anthrazitfarbenen Rock des Mädchens erkannt.
Marietta schien Lunte gerochen zu haben, denn im nächsten Augenblick war sie wie vom Erdboden verschluckt.
John fuhr bis zu der Stelle, an der er sie erblickt hatte, und stoppte.
Stirnrunzelnd stieg er aus und schaute sich um. Nichts war von dem Mädchen zu sehen. Er befand sich auf einer typischen Dorfstraße, die im
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