Mark Twain für Boshafte
– sein Hätschelkind, und er konnte es nicht ertragen, ihn ganz zu verlieren. So beschloß er denn zuletzt, ihn in einem einzigen Exemplar aufzuheben und den Rest zu ersäufen.
[BE 548]
N oah und seine Familie wurden also gerettet – wenn man das als einen Vorzug werten will. Ich füge dieses Wenn hinzu, weil es noch keine intelligente Person im Alter von mehr als sechzig Jahren gegeben haben dürfte, die eingewilligt hätte, ihr Leben noch einmal zu leben.
[BE 558]
S chließlich lief die Arche auf Grund und kam auf dem Gipfel des Berges Ararat zum Stehen, siebentausend Fuß überm Tal, und ihre lebendige Fracht kam heraus und den Berg hinunter.
Noah legte einen Weinberg an, trank von dem Wein und betrank sich. Dieser Mann war aus der gesamten Erdbevölkerung ausgewählt worden, weil er das beste Exemplar war. Er sollte die menschliche Rasse auf neuer Grundlage wiederbegründen. Hier war nun die neue Grundlage. Die Aussichten standen schlecht. Mit dem Experiment fortzufahren bedeutete ein großes, unkluges Risiko. Immer noch war Zeit, mit ihm und den Seinen so zu verfahren wie mit den andren – sie zu ersäufen. Jeder andere als der Schöpfer hätte das eingesehen. Er aber nicht.
[BE 571 f.]
N ebenbei möchte ich einflechten, daß er überhaupt ein besonderes Augenmerk auf die Armen hatte. Neun Zehntelder Krankheitserfindungen waren auf die Armen gemünzt, und sie erhielten sie. Die Wohlhabenden bekommen dann nur noch, was übrigbleibt.
[BE 560]
S ie haben einen Himmel erfunden, rein aus der Luft gegriffen, ganz aus sich selbst heraus; und nun ratet, wie er beschaffen ist. In fünfzehnhundert Ewigkeiten ratet Ihr’s nicht. Der findigste Kopf, der Euch oder mir bekannt wäre, käme in fünfzig Millionen Äonen nicht drauf. Gut, ich will ihn Euch schildern.
[BE 536]
E r stellt sich den Himmel vor, aber er schließt aus ihm den höchsten seiner Genüsse vollständig aus, die eine Ekstase, die im Herzen jedes einzelnen von ihnen – wie auch bei uns – zuallererst und zualleroberst kommt: den Geschlechtsgenuß.
[BE 534]
V on der Jugend an bis ins mittlere Alter preisen Männer wie Weiber den Beischlaf über alle anderen Genüsse zusammengenommen; und doch ist es so, wie ich sage: in ihrem Himmel gibt es ihn nicht – an seine Stelle tritt das Gebet.
[BE 536]
I n dem Himmel der Menschen singt jeder. Wer auf Erden niemals gesungen hat, hier tut er’s, und wer es auf Erden nicht konnte, hier kann er’s. Der himmlische Gesang ist nicht beiläufig und gelegentlich, auch nicht von Zwischenräumen der Stille gemildert, sondern er dauert an, den ganzen langen Tag, tagtäglich zwölf Stunden lang. Und jeder bleibt, während doch auf der Erde die Stelle binnen zwei Stunden menschenleer wäre. Der Gesang bestehtausschließlich aus Hymnen. Oder vielmehr aus einer einzigen Hymne. Der Text ist stets der gleiche, an Zahl sind es nur ein Dutzend Wörter, es ist auch kein Reim darin, keine Poesie: »Hosianna, Hosianna, gelobt seist du, Gott Zebaoth, Rabarber Rabarber Rabarber...!«
[BE 537]
S ein Himmel ist wie er selber: seltsam, interessant, erstaunlich, grotesk. Ich gebe Euch mein Wort, dieser sein Himmel birgt nicht ein einziges Ding, das er wirklich für wert hält. Er besteht einzig und allein aus Zerstreuungen, von denen er hier auf Erden so gut wie nichts hält, ist aber fest davon überzeugt, daß er sie im Himmel lieben würde.
[BE 535]
E s ist leicht zu sehen, daß der Erfinder dieses Himmels sich die Idee nicht selber ausgedacht, sondern von dem Gepränge irgendeines albernen Herrschers im hintersten Orient übernommen hat.
[BE 538]
... jedes Volk weiß , daß es die einzig wahre Religion und das einzig vernünftige Regierungssystem besitzt, jedes verachtet alle anderen, jedes ist ein Esel und ahnt es nicht, jedes ist stolz auf seine eingebildete Überlegenheit, jedes ist absolut sicher, es sei der Liebling Gottes, und fordert ihn in Kriegszeiten mit unerschütterlicher Zuversicht auf, das Kommando zu übernehmen, jedes ist überrascht, wenn er zum Feind überläuft, doch gewohnheitsgemäß in der Lage, das zu entschuldigen und die Komplimente wiederaufzunehmen.
[KL 313]
I hr habt zur Kenntnis genommen, daß das menschliche Lebewesen eine Sonderbarkeit ist. Im Lauf der Zeiten hat er Hunderte und aber Hunderte von Religionen gehabt (und sie abgenützt und weggeworfen); auch heute hat er Hunderte und aber Hunderte von Religionen und läßt jedes Jahr nicht weniger als drei neue vom Stapel. Ich
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