Marlene Suson 1
Erleichterung.
Während Jerome mit Taggart sprach, wiegte Rachel das Baby in den Armen und gab gurrende, zärtliche Laute von sich. Der Säugling hörte auf zu schreien und sah sie aus großen Augen an.
Beim Anblick seiner Frau mit dem Baby stieg ein warmes, tiefes Gefühl in Jerome auf. Er hatte nie viel über Kinder nachgedacht, obwohl er natürlich wußte, daß er einen Erben zeugen mußte. Jetzt jedoch entdeckte er, daß er sehnsüchtig auf den Tag wartete, an dem Rachel ihr eigenes Kind in den Armen halten würde.
Er dachte an seine Kindheit und schwor sich im stillen, ein besserer Vater zu sein, als seiner es gewesen war. Er lächelte bei der Vorstellung, was er alles mit dem Sohn unternehmen wollte, den Rachel ihm schenken würde.
Nachdem er ein paar Minuten mit Taggart gesprochen hatte, ging Jerome mit Billy, um ihm in den Sack zu helfen.
Nach dem Sackhüpfen, bei dem Billy Zweiter wurde, nahm Ra- chel Jerome beim Arm und schlenderte mit ihm durch die Menge. Sie kamen nur langsam voran, weil sie dauernd stehenblieb, um mit dem einen oder anderen der Gäste zu sprechen. Jerome war überrascht, wie viele seiner Pächter sie bereits beim Namen nannte, und wieviel sie von ihnen und ihren Familien wußte. Zwangsläufig wurde er in die Unterhaltung mit einbezogen, und bald vergaß er sein Unbehagen, da er sich ja für alles, was zur Sprache kam, aufrichtig interessierte.
Nachdem ein paar Stunden vergangen waren und die Leute begannen, Essen auf ihre Teller zu häufen, bemerkte Jerome, daß Rachel mit Morgan flüsterte. Er nickte und verschwand im Haus. Als er ein paar Minuten später wiederkam, hatte er Jeromes Gi- tarre in der Hand. Er reichte sie seinem Bruder und sagte: „Zeit für ein bißchen Musik, während die Leute essen.‚
Betroffen sah Jerome ihn an. Bisher hatte er ausschließlich im
Familienkreis gespielt. Er wollte schon ablehnen, doch Rachel sah ihn mit einem so bezaubernden, erwartungsvollen Grübchenlä- cheln an, daß er die Gitarre nahm und eine Melodie anstimmte.
Jerome begann mit einem flotten Lied, und Rachel und Morgan stimmten ein. Schweigen senkte sich über die Leute.
Als das Lied zu Ende war, kam spontaner Beifall von der Zu- hörerschaft. „Noch was!‚ rief jemand, und Jerome gab nach.
Nach ein paar weiteren Liedern ermunterte Morgan die Leute zum Mitsingen. Während Jerome ein Lied nach dem anderen spielte, kam ihm zum Bewußtsein, daß er zum erstenmal ein Som- merfest wirklich genoß.
Er schaute hinüber zu seiner Frau, die sein Leben so zum Gu- ten verändert hatte. Er liebte sie mehr, als er je einen Menschen geliebt hatte, doch er hatte es ihr immer noch nicht gesagt. Seine teuflische Angst vor einer möglichen Enttäuschung hatte ihn im- mer zurückgehalten.
Aber Rachel verdiente es, von seiner Liebe zu erfahren und zu wissen, wie glücklich sie ihn machte. Ein schrecklicher Gedanke schlich sich in sein Herz. Was, wenn der Mörder, der sich hier herumtrieb, Erfolg hatte, und er hätte Rachel nie gesagt, wie sehr er sie liebte?
Heute nacht würde er das Versäumnis nachholen.
Langsam wurde es dunkel, doch auf dem Rasen vor dem her- zoglichen Schloß tummelte sich noch immer das Volk. Rachel beobachtete, wie ihr Mann sich unbefangen unter den Gästen bewegte, sich unterhielt, scherzte und lachte. Alle Steifheit und Reserviertheit war wie weggefegt.
Sie fühlte sich so wohl auf Royal Elms. Es war ihr Heim gewor- den. Sie verabscheute den Gedanken, nach London aufzubrechen, doch Jerome hatte ihr gesagt, daß er dort wichtige Geschäfte er- ledigen müßte.
Rachel hatte noch einen anderen Grund, weshalb sie nicht fah- ren wollte. Seitdem Jerome ihr von der Reise erzählt hatte, hatte sie ein ungutes Gefühl, daß ihr Besuch in der Hauptstadt in einem Desaster enden würde.
Die Musiker stimmten einen Bauerntanz an, und Jerome führte seine Gemahlin auf die Terrasse, um den Tanz mit ihr zu er- öffnen.
„Wir haben noch nie miteinander getanzt‚, bemerkte er. „Heute ist ein Tag, an dem ich viele Dinge zum erstenmal tue. Das ver- danke ich dir, mein Liebling.‚
Ein Schauer überrieselte Rachel bei diesem Kosewort. Noch nie zuvor hatte er sie ,Liebling’ genannt. Meinte er es ehrlich?
Bald drängten sich die Tänzer auf der Terrasse. Rachel fand sehr schnell heraus, daß ihr Mann genauso gut tanzte, wie er Gi- tarre spielte.
Nach ein paar schweißtreibenden Tänzen bat sie um eine Pause, und Jerome führte sie von der Veranda.
Ein Lakai näherte sich mit
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