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Marlene Suson 1

Marlene Suson 1

Titel: Marlene Suson 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Mitternachts-Braut
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einem Brief, den ein Bote gerade aus London gebracht hatte. Jerome öffnete und überflog ihn. Das Lächeln schwand von seinem Gesicht, das unvermittelt ernst wurde.
    Er nahm Rachels Arm und führte sie schweigend ins Haus.
    „Was ist los, Jerome?‚ fragte sie besorgt. „Von wem ist der Brief?‚
    „Von Neville Griffin.‚
    Angst griff nach ihr. „Schlechte Nachrichten von Stephen?‚
    „Ich fürchte, ja. Die Sea Falcon ist nach England zurückge- kehrt. Der Kapitän bestätigt, daß ein Mann, auf den Stephens Be- schreibung paßt, an Bord der Fregatte gepreßt wurde, und zwar an dem Abend, als Stephen von Calais nach Dover kam. Der Mann habe auch behauptet, Lord Arlington zu sein, doch niemand habe ihm geglaubt. Man hielt es für eine Lüge, mit der der Mann sich freikaufen wollte.‚
    „Wenn das Schiff wieder im Hafen liegt, wo ist dann Stephen?‚
    „Bei einem verzweifelten Fluchtversuch sprang er eines Mor- gens vor der amerikanischen Küste über Bord. In dem Morgen- dunst hatte er offenbar die Lichter eines anderen Schiffes für erleuchtete Fenster auf dem Festland gehalten. Doch die Küste war noch mehrere Meilen entfernt.‚ Jerome unterbrach sich und nahm sie tröstend in die Arme. „Es tut mir so leid, mein Liebes. Stephen ist wohl ertrunken.‚
    „Nein!‚ schrie Rachel auf. „Haben sie denn seinen Leichnam geborgen?‚
    „Das konnte Griffin nicht erfahren.‚
    An diesen Strohhalm klammerte Rachel sich. „Dann glaube ich auch nicht, daß er tot ist. Stephen ist ein ausgezeichneter Schwimmer.‚
    „Es tut mir so schrecklich leid, aber bis zur Küste kann er es unmöglich geschafft haben. Es war einfach zu weit.‚
    Tränen strömten über Rachels Wangen. „Ich kann es nicht glauben.‚

Jerome hielt sie lange in den Armen. Leise und tröstend sprach er auf sie ein und strich ihr begütigend über den Rücken.
    Erinnerungen an Stephen, an den sonnigen, lachenden, zärtli- chen, sie manchmal auch zur Verzeiflung treibenden großen Bru- der quälten Rachel. Sie hatte ihn so innig geliebt. „Er kann nicht tot sein. Er war doch meine Familie.‚
    „Du hast jetzt eine andere Familie‚, mahnte Jerome sanft. „Mich.‚
    Ihr Kinn zitterte. „Aber Stephen hatte mich lieb.‚
    Jeromes Lippen näherten sich ihrem Mund. Ganz dicht vor ihr hielt er inne und flüsterte: „Ich dich auch. Gott weiß, wie sehr ich dich liebe.‚ Dann küßte er sie, und sein Kuß war alles in einem: fordernd, erregend und tröstend.
    Obwohl dieses Geständnis Rachel überglücklich machte, war ihr doch das kaum merkliche Zögern in Jeromes Stimme nicht entgangen. Seine Liebe hatte sie gewonnen, doch sein Vertrauen noch nicht.
    Und Liebe ohne Vertrauen war zum Sterben verurteilt.

27. KAPITEL
    Frauen schnatterten und plapperten in dem eleganten Londoner Salon mit den damastbezogenen Sofas und Sesseln, den zierli- chen französischen Tischen mit Goldbronze-Intarsien und den kunstvollen Stukkaturen an Decke und Wänden.
    Zu Rachels Linken diskutierten drei Damen aus Adelskreisen mit einer Inbrunst, als wäre es ein weltbewegendes Ereignis, wer an diesem Abend nicht zum Ball des Duke of Devonshire einge- laden war.
    Zu ihrer Rechten spekulierten vier andere unter Wortführung der ausgesprochen bösartigen Lady Oldfield über mögliche und nicht mögliche Affären innerhalb der Londoner Gesellschaft. Da- bei vespritzten sie so viel Gift wie zwei Dutzend Schlangen.
    Beide Themen langweilten Rachen unendlich. Sie beklagte im stillen all die kostbare Zeit, die sie hier in London schon ver- schwendet hatte. Seit fast vier Wochen verbrachte sie öde, endlose Stunden bei solchen Pflichtbesuchen, bei denen die Damen sich mit nichts anderem beschäftigten als der neuesten Mode, ihren gehegten Privilegien und Gesellschaftsklatsch.
    Die Abende waren fast noch schlimmer, denn sie waren ange- füllt mit Soireen und Bällen. Die eleganten und prachtvoll ausge- statteten Ballsäle und Salons waren durchweg heiß, stickig und überfüllt. Rachel wurde unausgesetzt von Stutzern belagert, die sich darum rissen, die wunderschöne neue Herzogin als erster in eine Liaison zu verwickeln. Sie kam sich vor wie ein gehetztes Wild, und sie haßte dieses frivole Treiben aus tiefstem Herzen.
    Doch am meisten haßte sie es, Jerome nicht an ihrer Seite zu ha- ben. Obwohl man sie inzwischen darüber aufgeklärt hatte, daß es in Londoner Gesellschaftskreisen verpönt war, wenn bei Abend- empfängen der Ehemann seiner eigenen Frau die Cour machte, anstatt

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