Marlene Suson 1
of Westleigh, angetan mit seiner Staatstracht, erschien auf der Terrasse, um die Gäste willkommen zu heißen. Dann standen die Gäste steif und respektvoll – und voller Unbehagen – auf dem Rasen herum, bis der Herzog sich wieder ins Haus zurückzog. Erst dann begann der Spaß.
Kein Wunder, daß Jerome dieses Fest fürchtete. Seufzend wandte er sich vom Fenster ab. Es wurde allmählich Zeit, sich anzukleiden. Peters hatte ihm bereits den prächtigen Leibrock aus mit Silberfäden durchwirktem Brokat herausgelegt.
Rachel kam ins Zimmer. Sie trug ein einfaches Kleid aus vio- lettem Crétonne mit einer duftigen Seidenschürze, die mit Klöp- pelspitze abgesetzt war. Das Kleid paßte wunderbar zu ihren leuchtenden Augen.
„Ach bitte, Jerome, zieh das nicht an!‚ rief sie, als sie sah, wie er danach griff.
„Wieso nicht?‚
„Es ist zu ... zu ...‚ Sie suchte nach dem richtigen Wort. „Zu aufgedonnert‚, sagte sie dann.
„Aber so etwas hat der Herzog zu diesem Anlaß immer getra- gen‚, wandte er ein.
„Diesmal nicht.‚ Rachel war bereits an seinem Schrank und wählte nach kurzem Überlegen eine lederbraune Hose und einen blauen Justaucorps aus feinem Tuch aus. Es war ein einfacher Rock, ohne die der Mode entsprechenden Stickereien.
Sie warf ihm die Kleidungsstücke zu. „Darin wirst du dich viel wohler fühlen. Und deine Gäste auch.‚
Das würde er ganz bestimmt. Wenn er ehrlich war, haßte er es, sich so herauszuputzen, wenn er die Leute empfing. Sein Va- ter hatte darauf bestanden und behauptet, daß man es von ihm
erwartete. Doch Jerome war sich immer vorgekommen wie ein Pfingstochse.
Als sie zum Empfang der Gäste hinuntergingen, sagte er: „Wir brauchen bloß ein paar Minuten zu bleiben, nur bis ich meine Ansprache hinter mich gebracht habe.‚
Rachel blieb auf der Treppe stehen und sah ihn entrüstet an. „Nachdem ich mir so viel Arbeit gemacht habe? Nein, jetzt will ich auch meinen Spaß haben.‚
Welchen Spaß? fragte er sich verwundert.
Sie gingen hinaus auf die Terrasse. Jerome blieb stehen, hieß seine Gäste willkommen und forderte sie auf, dem Essen herz- haft zuzusprechen und sich möglichst zahlreich an den Spielen zu beteiligen, die für sie vorbereitet waren. Anschließend wollte er wieder ins Haus zurückgehen.
So hatte sein Vater es immer gehalten, und Jerome war all die Jahre seinem Beispiel gefolgt.
Heute jedoch zog Rachel ihn mit sich hinunter auf den Rasen. Die Leute traten zurück, um ihnen Platz zu machen. Jerome spürte wieder, wie sich die Kluft auftat, die ihn, den Herzog, stets von den übrigen Menschen trennte.
Plötzlich löste sich der kleine Tommy Taggart aus der Menge und kam auf ihn zugestolpert, so schnell ihn seine kleinen Bein- chen trugen. Er hatte Jerome erkannt. „Jer’m, Jer’m!‚ rief er auf- geregt.
Das Kerlchen war so erfreut, ihn entdeckt zu haben, und wirkte so begeistert, daß Jerome nicht anders konnte, als ihn zu packen und hoch über seinen Kopf zu schwingen. Genau das hatte Tommy gewollt, und er quietschte vor Entzücken.
Als Jerome ihn wieder auf die Füße stellen wollte, protestierte er lautstark und schlang die dünnen Ärmchen um den Hals des Herzogs. „Will so groß sein wie du, Jer’m‚, bettelte er.
Lachend ließ Jerome ihm seinen Willen und setzte ihn auf einen Arm. Billy kam herbeigerannt, streckte ihm die Rechte entgegen, und Jerome schüttelte sie mit seiner freien Hand. „Ich mach’ bei’n Sackhüpf’n mit, Jer’m. Hilfst du mir reinsteig’n?‚
Jerome vergaß seine Steifheit, vergaß die Kluft zwischen ihm und den Leuten, vergaß alles, was ihn früher gehemmt hatte. Er sah nur noch Billys eifriges, vertrauensvoll zu ihm emporgewand- tes Gesicht. Kein Kind hatte ihn je so angesehen. Jerome lächelte dem Kleinen zu. „Natürlich helfe ich dir.‚ Er sah zu Rachel hin, die ihn stolz und liebevoll anstrahlte.
Während Billy ihn zu der Stelle zerrte, wo das Sackhüpfen statt- finden sollte, bestaunten die Leute mit offenen Mündern dieses seltsame Trio. „Wo ist dein Vater, Billy?‚ fragte Jerome.
„Da drüb’n.‚
Bill Taggart, von der Krankheit genesen, stand ein wenig ab- seits von der Menge und versuchte, sein laut plärrendes Baby zu beruhigen. Maggie stand neben ihm. Jerome ging hinüber, um mit ihm zu sprechen.
Rachel, die ihrem Mann gefolgt war, sagte zu Bill: „Geben Sie mir das Baby.‚ Sie streckte die Arme aus, und er reichte ihr das schreiende Bündel mit sichtlicher
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