Marlene Suson 2
vornehmen Landsitzen in England in nichts nach.
„Mr. Wingate . . . Mr. Wingate?“
Es dauerte einen Moment, bis er begriff, daß er gemeint war. Sein Name war zwar Stephen Wingate, doch man hatte ihn nie mit „Mr. Wingate“ angesprochen. Bevor er den Titel seines Vaters erbte, war er Viscount Hastings gewesen.
Der alte Argwohn hatte sich wieder in Megs Augen geschli- chen, und sie preßte die Lippen zusammen. „Sie scheinen Ihren eigenen Namen nicht zu kennen.“
Verdammt! Er hatte erneut Zweifel in ihr geweckt. „Ich fürchte, ich war in Gedanken ganz woanders. Bitte entschuldigen Sie. Was haben Sie gesagt?“
„Ich wollte fragen, ob Sie noch Malzbier möchten.“
„Danke, im Augenblick nicht.“
Das Laken war von Stephens Brust herabgerutscht. Erst jetzt kam ihm zum Bewußtsein, daß nicht nur sein Oberkörper nackt war, sondern auch der Rest seines Körpers unter dem Laken. Es war doch gewiß nicht diese prüde Jungfer gewesen, die ihn ausgezogen hatte, oder?
„Wo sind meine Sachen?“ Seine Stimme klang immer noch heiser.
„Die habe ich verbrannt.“ Sie schüttelte sich. „Es waren nur noch schmutzige Lumpen.“
„Aber das war alles, was ich habe.“ Es kam Stephen hart an, das zuzugeben.
„Sie wimmelten vor Ungeziefer.“
Die Verachtung und der Widerwille in Megs Stimme beschämte ihn. Früher waren seine Schränke übergequollen vor Kleidern, die so elegant waren, wie dieses verarmte Landei es sich gewiß nicht vorstellen konnte.
Er bemäntelte seine Scham mit verärgertem Sarkasmus. „Was, zum Teufel, soll ich jetzt machen? Ich kann doch nicht nackt von hier verschwinden. Oder möchten Sie am Ende doch, daß ich bleibe?“
Meg wurde steif. „Ich möchte, daß Sie weiterziehen, sobald Sie dazu in der Lage sind. Ich werde schon etwas zum Anziehen für Sie finden.“
„Wann haben Sie meine Sachen verbrannt?“
„Gleich in der ersten Nacht.“
Das bedeutete, daß er seit vier Tagen nackt in diesem Bett lag und von ihr gepflegt wurde. Hatte sie schon je zuvor ei- nen nackten Mann gesehen? Er unterdrückte ein Grinsen. Wenn nicht, hätte er zu gern ihre Reaktion beobachtet. War sie verlegen gewesen? Erschrocken? Beeindruckt? Wenn sie wie die anderen Frauen aus seiner Vergangenheit war, müßte letzteres der Fall gewesen sein.
Meg ging zum Kamin und füllte Wasser aus dem Kessel über dem Feuer in eine Schüssel. Dann trat sie zu ihm ans Bett und sagte: „Ich muß Ihren Rücken säubern und frisch verbinden.“
Stephen protestierte. Er schauderte bei dem Gedanken, welche Schmerzen ihm das bereiten würde.
„Es muß sein. Sie sind doch wohl kein Feigling, der sich davor fürchtet?“
Die Möglichkeit, daß Meg ihn für eine Memme halten könnte, schmerzte mehr als alles, was sie seinem Rücken antun konnte. Mit einem ergebenen Seufzer rutschte er im Bett hinab und legte sich auf den Bauch.
Meg setzte sich auf die Bettkante, und ihr süßer Orangenblü- tenduft umwehte ihn wieder. Mit großer Behutsamkeit entfernte sie den Verband, und Stephen stellte fest, daß es kaum weh tat.
Dann wusch sie seinen Rücken sorgfältig mit Seife und Wasser aus der Schüssel. Ihre festen und doch sanften Hände erfüllten ihn mit einem Wohlbehagen, wie er es seit einer Ewigkeit nicht mehr empfunden hatte.
Er erinnerte sich an seine Fieberträume und welchen Trost ihm ihre weichen Hände und ihre sanfte Stimme gespendet hatten. Er erinnerte sich auch an das Heulen der Wölfe, das in seinen Fieberwahn gedrungen war, und erbebte. Wirklich, er schuldete Megan Drake so viel!
Sie strich eine duftende Salbe auf seine Wunden. „Ihr Rücken heilt gut. Ich bin sehr zufrieden mit Ihren Fortschritten.“
Stephen schloß die Augen. Ihre etwas rauchige Stimme weckte ein körperliches Verlangen in ihm.
Die Salbe fühlte sich kühl und angenehm an, und die Berüh- rung ihrer Hände hatte eine so wunderbare Wirkung auf ihn, daß er gar nicht genug davon bekommen konnte. Als Meg fertig war und von der Bettkante aufstehen wollte, ergriff er ihre Hand und streichelte mit dem Daumen über ihren Handrücken.
„Bitte, nicht aufhören“, schmeichelte er mit einer Stimme, der die Frauen nie hatten widerstehen können.
Mit einem Ruck erhob Meg sich und stieß seine Hand fort, als wäre ihr seine Berührung zuwider.
„Schluß, Mr. Wingate, das reicht.“ Alle Wärme war aus ihrer Stimme verschwunden. Ohne ihm noch einen Blick zu gönnen, ging sie zum Kamin und nahm ein Stück Stoff, das sie dort zum Wärmen
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