Mars 03 - Kriegsherr des Mars
geschlafen haben, als ich ganz plötzlich davon aufwachte, daß mir etwas Kaltes, Feuchtes über die Stirn strich. Sofort sprang ich auf und griff in jene Richtung, in die das Ding verschwunden sein mußte. Meine Hand berührte für einen Moment menschliches Fleisch. Dann tat ich einen Satz, um meinen ungebetenen Besucher festzuhalten, aber in der Dunkelheit verfing sich mein Fuß in den Schlafseiden, und ich stürzte der Länge nach zu Boden.
Als ich wieder auf die Beine kam und den Lichtknopf fand, war mein Besucher schon verschwunden. Sorgfältig durchsuchte ich den ganzen Raum, fand jedoch nichts, was auf die Person des nächtlichen Gastes oder ihre Absichten schließen ließ.
An die Absicht, etwas zu stehlen, konnte ich nicht glauben, da es Diebe auf Barsoom kaum gibt. Mord ist dagegen an der Tagesordnung, aber wenn ein Besucher vorgehabt hätte, mich zu ermorden, dann hätte er genug Zeit und Gelegenheit gehabt.
Ich gab schließlich die fruchtlose Suche auf und wollte mich wieder schlafen legen, als etwa ein Dutzend kaolinischer Wächter meine Wohnung betraten. Der leitende Offizier war mein liebenswürdiger Gastgeber vom Morgen, aber jetzt drückte seine Miene keine freundschaftlichen Gefühle mehr aus.
»Kulan Tith befiehlt dein Erscheinen vor ihm«, sagte er. »Komm!«
7. Neue Verbündete
Von Wachen umgeben marschierte ich also die Korridore des Palastes von Kulan Tith, Jeddak von Kaol, entlang und kam zum großen Audienzsaal, der im Mittelpunkt des riesigen Palastkomplexes lag.
Die strahlend hell erleuchteten Räume waren mit den Nobilitäten von Kaol und den Offizieren des Gastjeddaks angefüllt, und natürlich richteten sich alle Augen auf mich. Auf der breiten Estrade am Ende des Audienzsaales standen drei Throne, auf denen Kulan Tith und seine Gäste Matai Shang und der Gastjeddak saßen.
Tödliches Schweigen herrschte, als wir den breiten Mittelgang entlangmarschierten und vor den Thronen stehenblieben.
»Bringt eure Klage vor«, sagte Kulan Tith und wandte sich dabei an einen, der unter den Edlen rechts von ihm stand. Daraufhin trat Thurid, der schwarze Dator der Erstgeborenen, vor und sah mich an.
»Edelster Jeddak«, sagte er zu Kulan Tith, »von Anfang an mißtraute ich diesem Fremden in deinem Palast. Deine Beschreibung seiner großartigen Tapferkeit deckt sich mit dem, was wir vom Erzfeind der Wahrheit auf Barsoom wissen.
Damit aber kein Irrtum geschehen kann, schickte ich einen Priester eures eigenen heiligen Kults aus, um einen Test zu machen, der seine Maskierung durchdringen und die Wahrheit enthüllen sollte. Und hier das Ergebnis!« Damit deutete Thurid auf meine Stirn.
Alle Augen folgten Thurids Zeigefinger, und ich allein schien keine Ahnung zu haben, was er meinte und welch fatales Zeichen auf meiner Stirn zu finden sein könnte.
Der Offizier neben mir schien meine Verblüffung zu bemerken, und als Kulan Tith die Brauen drohend zusammenzog und sein Blick mich zu durchbohren versuchte, nahm der Edle einen kleinen Spiegel aus seiner Gürteltasche und hielt ihn mir vor das Gesicht.
Mir genügte ein kurzer Blick in diesen Spiegel, dann gab ich ihn zurück.
Der nächtliche Besucher in meinem Schlafzimmer war also ein kriegerischer Thern gewesen, der mir in etwa Handbreite die rote Farbe von der Stirn gewischt hatte. Darunter erschien die Sonnenbräune meiner weißen Haut.
Thurid schwieg eine ganze Weile. Ich nehme an, er wollte damit den dramatischen Effekt dieser Entdeckung unterstreichen.
»Hier, o Kulan Tith!« schrie er. »Das ist der Mann, welcher die Tempel der großen Götter des Mars entweiht, der die Heiligen Therns in Person angegriffen hat, der eine ganze Welt von unserer uralten, heiligen Religion zum Abfall zu bringen versuchte! Vor dir, Jeddak von Kaol, Verteidiger der Heiligen, steht John Carter, Prinz von Helium!«
Kulan Tith sah zu Matai Shang hinüber, als erwarte er von dort eine Bestätigung dieser Anklage. Der Heilige Thern nickte auch.
»Das ist in der Tat dieser schlimmste aller Schänder«, sagte er.
»Selbst jetzt ist er mir in das Herz deines Palastes gefolgt, Kulan Tith, und seine einzige Absicht ist die, mich zu ermorden. Er…«
»Er lügt!« rief ich. »Kulan Tith, hör mir zu, damit du die Wahrheit erfährst! Höre, denn ich erzähle dir, weshalb John Carter diesem Matai Shang in deinen Palast gefolgt ist. Hör mir ebenso zu, wie du ihm zugehört hast, und dann beurteile meine Taten, die nur der normalen barsoomischen Ritterlichkeit und Ehre
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