Mars Trilogie 1 - Roter Mars
und wärmten gefrorene Mahlzeiten mit Mikrowelle auf. Sie half bei der Ausgabe und ging an einer Reihe von Leuten auf und ab, die draußen in der Halle saßen. Ungewaschene Gesichter mit schwarzen Frostblasen. Einige Leute redeten lebhaft, andere saßen da wie Stählen oder schliefen gegeneinander gelehnt. Die meisten von ihnen hatten in Laßwitz gewohnt, aber eine große Anzahl war aus Kuppeln oder Verstecken gekommen, die aus dem Weltraum zerstört oder durch Landstreitkräfte angegriffen worden waren. Eine alte arabische Frau sagte zu einem kleinen knorrigen Mann: »Das ist dumm. Meine Eltern waren beim Roten Halbmond in Bagdad, als die Amerikaner es bombardierten. Wenn sie die Lufthoheit haben, kann man nichts tun - gar nichts! Wir müssen uns ergeben. So bald wie möglich.«
»Aber wem?« fragte der kleine Mann. »Und für wen? Und wie?«
»Jedem, und natürlich über Funk!« Die Frau sah Nadia an, die die Achseln zuckte.
Dann piepte ihr Armband, und Sasha Yefremov plapperte mit einer kleinen Stimme aus dem Armbandlautsprecher. Die Wasserstation im Norden der Stadt war explodiert, und die Quelle, die sie abdeckte, war zu einem artesischen Brunnen aus Wasser und Eis geworden.
»Ich werde gleich da sein«, sagte Nadia entsetzt. Das Wasserwerk der Stadt bildete die Kappe des Wasserreservoirs von Laßwitz, welches recht groß war. Wenn ein wesentlicher Teil des Wasserlagers durch die Oberfläche brach, würden das Wasserwerk und die Stadt und der ganze Canyon in einer katastrophalen Flut verschwinden. Und noch schlimmer - Burroughs lag nur zweihundert Kilometer abwärts am Abhang von Syrtis und Isidis; und die Flut könnte recht wahrscheinlich so weit laufen. Burroughs! Seine Bevölkerung war für eine Evakuierung viel zu groß, besonders jetzt, wo es zu einem Zufluchtsort für Menschen geworden war, die dem Krieg entronnen waren. Es gab einfach keinen anderen Ort, wohin man gehen könnte.
»Kapitulation«, beharrte die Frau in der Halle. »Alle müssen sich ergeben!«
»Ich glaube nicht, daß das noch gehen wird«, sagte Nadia und lief zur Schleuse des Gebäudes.
Ein Teil von ihr war höchst erleichtert, etwas tun zu können, aufzuhören, sich in ein Gebäude zu drängen und Katastrophen im Fernsehen zu betrachten. Sie konnte etwas tun. Und Nadia hatte den Plan von Laßwitz angefertigt und den Bau vor sechs Jahren überwacht. Darum hatte sie jetzt eine Vorstellung davon, was zu tun war. Die Stadt war eine Kuppel der Nicosia-Klasse, bei dem die Farm und die Versorgungszentrale getrennte Strukturen waren und das Wasserwerk sich weit im Norden befand. Alle Bauten befanden sich auf dem Boden einer großen ostwestlichen Spalte, genannt der Arena-Canyon. Dessen Wände waren fast senkrecht und einen halben Kilometer hoch. Das Wasserwerk lag nur ein paar hundert Kilometer von der Nordwand des Canyons entfernt, die dort einen beachtlichen Überhang in der Höhe hatte. Während Nadia mit Sasha und Yeli zum Wasserwerk fuhr, skizzierte sie schnell ihren Plan. »Ich denke, wir können die Klippe sprengen und auf das Werk herunterlassen, und wenn das gelingt, sollte der Erdrutsch ausreichen, um das Leck abzudecken.«
»Würde die Flut nicht das heruntergekommene Gestein wegreißen?« fragte Sasha.
»Sicher, falls es der volle Ausbruch eines Wasserlagers ist. Aber wenn wir es abdecken, wird das austretende Wasser in dem Erdrutsch gefrieren und einen Damm bilden, der schwer genug ist, es festzuhalten. Der hydrostatische Druck ist in diesem Wasserreservoir nur etwas größer als der lithostatische Druck des Gesteins darüber. Also wkd der artesische Strom nicht allzu stark sein. Andernfalls wären wir bereits tot.«
Sie bremste den Rover ab. Durch die Windschutz - scheibe konnten sie in einer Wolke aus dünnem Reif die Reste des Wasserwerk erkennen. Ein Rover kam mit voller Geschwindigkeit auf sie zu. Nadia schaltete die Scheinwerfer ein und stellte das Radio auf die allgemeine Frequenz. Es war die Besatzung des Werks, ein Paar namens Angela und Sam, völlig entnervt nach den Abenteuern der letzte Stunde. Als sie nebeneinanderstehend berichtet hatten, erklärte Nadia ihnen, was sie vorhatte. Angela sagte: »Das würde funktionieren. Bestimmt wird jetzt nichts anderes es stoppen können. Es pumpt richtig.«
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Sam. »Es frißt das Gestein in unheimlichem Tempo.«
Angela sagte mit einer gewissen morbiden Begeisterung: »Wenn wir es nicht abdecken, wird es so aussehen wie damals, als der
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