Mars Trilogie 1 - Roter Mars
Rakete gemacht.«
»Das haben sie im ersten Jahr getan«, sagte Nadia. Sie wußte nicht genau, warum sie redete, sie schien immer noch nicht wieder ganz bei sich zu sein und beobachtete ihr Tun mit einigen Sekunden Verzögerung. »Ein großer Teil der Phobosbesatzung kam von der Raketen- und Steuerungstechnik. Sie haben die Eis-Adern zu flüssigem Sauerstoff und Deuterium umgewandelt und das in ausgerichteten Säulen gespeichert, die im Chondrit steckten. Die Motoren und der ganze Steuerungskomplex wurden zentral vergraben.«
»Er ist also eine große Rakete«, sagte Sax und nickte, während er Tasten bediente. »Umlaufperiode von Phobos 27547 Sekunden. Also macht er ungefähr... 2,146 Kilometer in der Sekunde. Um ihn herunterzuholen, muß man ihn auf... 1,561 Kilometer in der Sekunde abbremsen. Also 0,585 Kilometer in der Sekunde langsamer. Für eine Masse wie Phobos... Oho! Das ist eine Menge Treibstoff.«
»Auf wieviel ist er jetzt herunter?« fragte Frank. Sein Gesicht war schwarz, und seine Kinnmuskel arbeiteten unter der Haut wie ein kleiner Biceps - wütend, wie Nadia sah, über seine Unfähigkeit vorherzusagen, was als nächstes geschehen würde.
»Ungefähr eins Komma sieben. Und diese großen Schubraketen brennen noch. Er wird herunterkommen. Aber nicht in einem Stück. Der Abstieg wird ihn zerbrechen. Ich bin sicher.«
»Die Roche-Grenze?«
»Nein, nur die Belastung durch Luftbremsung, und mit all diesen leeren Treibstoffkammern...«
»Was ist mit den Menschen auf ihm geworden?« hörte Nadia sich fragen.
»Jemand hat gesagt, es hätte so geklungen, als ob die ganze Bevölkerung herausgekommen wäre. Niemand war da, um zu versuchen, die Zündung zu stoppen.«
»Gut«, sagte Nadia und setzte sich schwer auf die Couch.
»Wann wird er herunterkommen?« fragte Frank.
Sax zwinkerte. »Unmöglich zu sagen. Hängt davon ab, wann er zerbricht. Aber ich schätze, recht bald. Und dann wird es ein Streifen irgendwo längs des Äquators sein, wahrscheinlich ein großer Streifen mit viel Unheil. Es wird ein recht großer Meteoritenschauer sein.«
»Das wird etwas von dem Aufzugskabel beseitigen«, sagte Simon leise. Er saß neben Ann und sah sie besorgt an. Sie starrte dumpf auf Simons Schirm und ließ nicht erkennen, daß sie etwas von ihnen hörte. Es war nie von ihrem Sohn Peter die Rede gewesen. War das besser oder schlimmer als ein Haufen Ruß und ein Datenschild an der Hand? Nadia entschied: besser. Aber immer noch hart.
»Seht!« sagte Sax. »Er zerbricht.«
Das Satellitenteleskop lieferte ihnen ein vorzügliches Bild. Die Kuppel über Stickney zerbarst nach außen in große Scherben, und die Kraterreihen, die für Phobos charakteristisch waren, stießen Staubwolken aus und gähnten offen. Dann blühte die kleine kartoffelähnliche Welt auf und zerfiel in etliche unregelmäßige Stücke. Ein halbes Dutzend größere breiteten sich langsam aus, wobei das größte vorausflog. Ein Brocken flog zur Seite, offenbar noch von einer der Raketen angetrieben, die im Innern des Mondes verborgen gewesen waren. Die restlichen Stücke begannen sich in einer unregelmäßigen Linie auszubreiten, wobei jedes mit unterschiedlicher Geschwindigkeit taumelte.
»Nun, wir sind irgendwie in der Schußlinie«, bemerkte Sax und sah die anderen an. »Die größten Brocken werden bald in die Atmosphäre treffen, und dann wird alles ziemlich schnell gehen.«
»Kannst du bestimmen, wann?«
»Nein. Es gibt zu viele Unbekannte. Längs des Äquators, das ist alles. Wir sind wahrscheinlich weit genug südlich, um die größten Brocken davon abzubekommen; aber es könnte durchaus ein Streueffekt eintreten.«
»Menschen auf dem Äquator sollten sich nach Norden oder Süden wenden«, sagte Maya.
»Wahrscheinlich wissen sie es. Auf jeden Fall hat der Fall des Kabels das Gebiet schon recht gründlich gesäubert.«
Man konnte kaum mehr tun, als zu warten. Keiner von ihnen wollte die Stadt verlassen - zu abgehärtet oder zu müde, um sich wegen langfristiger Risiken Sorgen zu machen. Frank ging im Raum hin und her, sein dunkles Gesicht vor Wut zuckend. Endlich konnte er es nicht mehr aushalten und ging wieder an seinen Schirm, um eine Reihe kurzer, bissiger Mitteilungen auszusenden. Es kam eine Antwort herein, und er knurrte: »Wir haben eine Galgenfrist; denn die UN-Polizei furchtet sich hier zu landen, solange nicht der ganze Dreck heruntergekommen ist. Aber danach werden sie wie Habichte hinter uns her sein. Sie behaupten, daß
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