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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Haufen drehte sich das Gespräch fast immer um wissenschaftliche Fragen.
    Fachsimpelei: Biologie, Ingenieurwesen, Geologie, Medizin und was auch immer. Über das Zeug konnte man ewig schwatzen.
    Wenn aber die Anzahl der Leute bei einer Konversation unter vier sank, dann pflegten sich die Themen zu ändern. Das Fachsimpeln wurde durch Klatsch bereichert (oder gänzlich ersetzt). Und der Klatsch drehte sich immer um jene zwei großen Formen sozialer Dynamik: Sex und Politik. Die Stimmen wurden gesenkt, die Köpfe zusammengerückt, und das Gesprächskarussell drehte sich. Gerüchte über sexuelle Beziehungen wurden verbreiteter, bissiger und komplexer. In einigen Fällen, wie dem unglücklichen Dreieck von Janet Blyleven, Mary Dunkel und Alex Zhalin, wurde es zum Schiffsgespräch. In anderen Fällen blieb es so verborgen, daß man nur flüsterte, begleitet von gehässigen, vielsagenden Blicken. Janet Blyleven pflegte mit Roger Calinks in den Speisesaal zu gehen, und Frank bemerkte zu John mit einem Unterton, der für Mayas Ohren bestimmt war: »Janet denkt, daß wir der Promiskuität huldigen.« Maya wollte ihn ignorieren wie immer, wenn er auf diese zynische Weise sprach, schaute aber später dieses Wort in einem soziobiologischen Lexikon nach und fand, daß Promiskuität bedeutete, daß jedes Männchen sich mit jedem Weibchen paarte.
    Am nächsten Tage sah sie Janet neugierig an. Sie hatte keine Ahnung gehabt. Janet war freundlich, sie beugte sich vor, wenn man mit ihr sprach, und hörte wirklich zu. Und sie lächelte häufig. Aber... nun, das Schiff war so gebaut, daß es viel Privatleben sicherte. Ohne Zweifel passierte mehr, als irgend jemand erfahren konnte.
    Und könnte es unter diesen geheimen Leben nicht noch ein anderes geheimes Leben geben, das verhehlt wurde oder nur im Zusammensein mit einigen wenigen unter ihnen existierte, einer kleinen Clique ohne Kabale? Eines Tages fragte sie Nadia nach ihrem gewöhnlichen Frühstücksgespräch: »Hast du in letzter Zeit etwas Komisches bemerkt?«
    Nadia zuckte die Achseln. »Die Leute sind gelangweilt. Ich meine, es wäre Zeit anzukommen.«
    Vielleicht war das alles.
    »Hast du von Hiroko und Arkady gehört?« fragte Nadia.
    Über Hiroko schwirrten ständig Gerüchte. Maya fand das geschmacklos und störend. Daß die einsame asiatische Frau unter ihnen der Brennpunkt von so etwas sein sollte wie Drachenlady, geheimnisvoller Orient... Unter den wissenschaftlich rationalen Oberflächen der Leute gab es so viel tiefen und mächtigen Aberglauben. Alles könnte passieren, alles war möglich.
    Wie ein Gesicht, das man durch ein Glas sieht.
    Und so hörte sie mit einem Gefühl von Krampf im Magen zu, wie Sasha Yefremov sich vom Nachbartisch herüberbeugte und auf Nadias Frage antwortete, ob Hiroko sich einen männlichen Harem aufbaute. Das war Unsinn, obwohl eine gewisse Allianz zwischen Hiroko und Arkady für Maya eine beunruhigende Art von Logik hatte. Sie wußte nicht, warum. Arkady war sehr offen in seiner Empfehlung von Unabhängigkeit vom Kontrollzentrum auf der Erde. Hiroko sprach nie darüber. Hatte sie aber in ihren Aktionen nicht schon das ganze Farmteam entfremdet in einen mentalen Torus, in den die anderen nie hineinkommen konnten?
    Als Sasha dann aber behauptete, daß Hiroko plante, etliche ihrer Eier mit Sperma aller Männer auf der Ares zu befruchten und dann tiefgefroren für späteres Wachstum auf dem Mars aufzuheben, konnte Maya nur ihr Tablett nehmen und sich zu den Spülmaschinen begeben. Ihr war irgendwie schwindlig. Die Leute wurden wunderlich.
    Die rote Sichel wuchs zur Größe eines Halbmonds an, und das Gefühl von Spannung stieg entsprechend, als ob es die Stunde vor einem Gewitter wäre und die Luft voller Staub, Kreosot und statischer Elektrizität. Als ob der Kriegsgott wirklich dort auf dem blutigen Fleck wäre und auf sie wartete. Die grünen Wandverkleidungen in der Ares hatten jetzt gelbe und braune Flecken, und das Licht des Nachmittags war getränkt mit der blassen Bronzefarbe des Natriums.
    Die Leute verbrachten Stunden in der Blasenkuppel und beobachteten, was außer John noch niemand von ihnen gesehen hatte. Die Übungsmaschinen wurden ständig benutzt und die Simulationen mit frischem Enthusiasmus ausgeführt. Janet zog durch die Torusse und schickte Videobilder von allen Veränderungen in ihrer kleinen Welt heim. Dann warf sie ihre Brille auf den Tisch und verzichtete auf ihre Stellung als Reporter. Sie sagte: »Schaut, ich bin es

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