Mars Trilogie 1 - Roter Mars
mürrischer Miene. Maya sagte sich, er war unter ihnen noch die einzige entspannte Person.
»Die Bürohengste haben das Problem erkannt«, fuhr Frank fort. »Es war selbst für sie klar genug. Sie benutzten die Harvard-Lösung.«
»Die Harvard-Lösung«, wiederholte John und genoß diesen Ausdruck.
»Vor langer Zeit stellten die Administratoren von Harvard fest, daß, wenn sie nur Einserabiturienten zuließen und dann den Erstsemestern den ganzen Bereich von Noten erteilten, eine betrübliche Anzahl davon über ihre Dreier und Vierer unglücklich waren und durch Selbstmorde das Gelände versauten.«
»So was Dummes!« sagte John.
Maya rollte die Augen. »Ihr beide seid wohl auf Handelsschulen gegangen?«
»Man fand heraus, daß der Trick zur Vermeidung dieser Unannehmlichkeit darin bestand, eine gewisse Prozentzahl an Studenten zuzulassen, die an mittelmäßige Zensuren gewöhnt waren, sich aber auf irgendeine andere Weise ausgezeichnet hatten...«
»Wie zum Beispiel durch ihre Kühnheit, sich mit mäßigen Zensuren in Harvard zu bewerben...«
»... gewöhnt an die schlechtere Benotung und glücklich, überhaupt in Harvard zu sein.«
»Hast du davon gehört?« fragte Maya.
Frank lächelte. »Ich war einer von denen.«
»Wir haben auf diesem Schiff überhaupt keine Mittelmäßigkeiten«, sagte John.
Frank machte ein zweifelndes Gesicht. »Wir haben wirklich eine Menge gescheiter Wissenschaftler ohne ein Interesse an Verwaltungsangelegenheiten. Viele von ihnen halten es für langweilig. Administration, wißt ihr. Sie sind froh, das anderen Personen wie uns zu übertragen.«
»Beta-Männchen«, sagte John und verspottete Frank und dessen Interesse an Soziobiologie. »Brillante Schafe.« Die Art, wie sie einander anpflaumten...
»Du irrst dich«, sagte Maya zu Frank.
»Vielleicht. Jedenfalls sind sie der politische Kern. Sie haben wenigstens die Kraft zu folgen.« Er sagte das so, als ob ihn der Gedanke bedrückte.
John, der zur Schicht auf die Brücke mußte, verabschiedete sich und ging.
Frank schwebte zu Maya hinüber, und sie rückte nervös zur Seite. Sie hatten nie über ihre kurze Affäre gesprochen; und die war auch seit etlicher Zeit nicht wieder aufgetaucht. Sie hatte darüber nachgedacht, was sie sagen sollte, wenn es je dazu käme. Sie würde sagen, daß sie sich gelegentlich mit Männern abgab, die ihr gefielen. Daß das etwas aus der momentanen Situation heraus Getanes wäre.
Aber Frank deutete nur auf den roten Pfennig am Himmel. »Ich frage mich, weshalb wir überhaupt gehen.«
Maya zuckte die Achseln. Wahrscheinlich meinte er nicht wir, sondern ich. Sie sagte: »Jeder hat so seine Gründe.«
Er schaute sie an. »Das ist nur zu wahr.«
Sie ignorierte diesen Tonfall von ihm und sagte: »Vielleicht sind es unsere Gene. Vielleicht haben sie gespürt, daß die Dinge auf der Erde schieflaufen. Haben einen zunehmenden Mutationsdruck gespürt oder etwas in der Art.«
»Deshalb haben sie für einen sauberen Start losgeschlagen.«
»Ja.«
»Die Theorie des egoistischen Gens. Die Intelligenz nur als ein Werkzeug zur Unterstützung erfolgreicher Fortpflanzung.«
»Das nehme ich an «
»Aber diese Reise gefährdet erfolgreiche Fortpflanzung«, sagte Frank. »Hier draußen ist es nicht sicher.«
»Aber auf der Erde ist es auch nicht sicher. Vergeudung, Strahlung, andere Menschen...«
Frank schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube nicht, daß die Selbstsucht in den Genen steckt. Ich nehme an, sie steckt irgendwo anders.« Er streckte den Zeigefinger aus und stubste sie zwischen die Brüste - ein kräftiger Stoß gegen das Brustbein, durch den er auf den Boden zurückgeschubst wurde. Währenddessen starrte er sie unverwandt an und berührte sich an derselben Stelle. »Gute Nacht, Maya!«
Zwei Wochen später war Maya in der Farm bei der Kohlernte und ging eine Schneise zwischen langen Stapeln von Paletten entlang. Sie hatte den Raum für sich allein. Die Kohlköpfe sahen aus wie Reihen von Gehirnen, die nachdenklich in dem hellen Nachmittagslicht glänzten.
Dann sah sie eine Bewegung und blickte zur Seite. Quer durch den Raum, durch eine Algenflasche hindurch, sah sie ein Gesicht. Es wurde durch das Glas der Flasche verzerrt. Das Gesicht eines Mannes mit brauner Haut. Der Mann schaute zur Seite und bemerkte sie nicht. Er schien mit jemandem zu sprechen, den sie nicht sehen konnte. Er bewegte sich, und das Bild seines Gesichts wurde deutlich, vergrößert in der Mitte der Flasche. Sie
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