Mars Trilogie 1 - Roter Mars
und Nadia jubelten. »Auf nach Norden zum Pol!«
Phyllis schüttelte bloß den Kopf. »Ich verstehe das nicht. George, Edvard und ich werden als Rückendeckung hierbleiben und uns vergewissern, daß der Eisschürfer richtig funktioniert.«
Also nahmen Ann, Nadia und Simon den Rover drei und fuhren wieder das Chasma Borealis hinunter und dann nach Westen, wo ein von der Kappe heruntergleitender Gletscher sich zu einer perfekten Rampe abflachte. Das Geflecht der großen Roverräder griff wie ein Schneemobil und lief gut über alle die verschiedenen Oberflächen der Kappe, über Flecke von freiliegendem granulären Staub, niedrige Hügel aus hartem Eis, Felder von blendend weißem CO 2 -Reif und das übliche Spitzenmuster aus sublimiertem Wasser-Eis. Flache Täler zogen sich im Uhrzeigersinn vom Pol weg. Manche davon waren sehr breit. Bei deren Durchquerung mußten sie einen holprigen Abhang hinunterfahren, der sich nach rechts und links über beide Horizonte hinweg krümmte. Das alles war bedeckt von hellem Trocken-Eis. Dies ging so weiter über zwanzig Kilometer, bis die ganze sichtbare Welt strahlend weiß war. Dann erschien vor ihnen eine Steigung aus dem vertrauteren schmutzig roten Wasser-Eis, von Konturlinien gestreift. Als sie den Boden der Senke kreuzten, teilte sich die Welt in zwei Teile: weiß hinten, und schmutzig rosa vorn. Als sie die nach Süden gerichteten Hänge hinauffuhren, fanden sie das Wasser-Eis mehr verrottet als anderswo. Aber Ann erklärte, daß sich in jedem Winter ein Meter Trocken-Eis auf der beständigen Kappe absetzte und das morsche Filigran des Sommers zerquetschte, so daß die Gruben in jährlichem Rhythmus angefüllt wurden. Und die großen Räder des Rovers knirschten hindurch.
Nach den Strudeltälern befanden sie sich auf einer glatten weißen Ebene, die sich nach allen Richtungen bis zum Horizont hinzog. Hinter dem polarisierten und getönten Glas der Fenster des Rovers war das Weiß makellos und rein. Einmal passierten sie einen niedrigen Ringhügel, das Zeichen für einen relativ neuen Meteoritenaufprall, ausgefüllt durch nachfolgende Eisablagerung. Sie hielten natürlich an, um Bohrproben zu nehmen. Nadia mußte Ann und Simon auf vier Bohrungen täglich beschränken, um Zeit zu sparen und zu verhindern, daß die Gepäckräume des Rovers überlastet würden. Und es waren nicht bloß Bohrungen. Oft kamen sie an isolierten Felsen vorbei, die wie Magritte- Skulpturen auf dem Eis lagen. Das waren Meteorite. Sie sammelten die kleinsten von ihnen ein und nahmen Proben von den größeren. (Einmal begegnete ihnen sogar einer, der so groß war wie der Rover.) Sie bestanden größtenteils aus Nickeleisen, oder es waren Chondrite. Während Ann an einem solchen herumschnippelte, sagte sie zu Nadia: »Du weißt, man hat auf der Erde Meteorite gefunden, die vom Mars stammen. Auch das Umgekehrte kommt vor, wenn auch viel seltener. Es erfordert einen wirklich großen Aufprall, um Steine aus dem Schwerefeld der Erde zu schleudern, daß sie hierherkommen - mindestens fünfzehn Kilometer pro Sekunde. Ich habe gehört, daß etwa zwei Prozent des der Erde entrissenen Materials auf dem Mars enden. Aber nur von den größten Treffern. Es wäre eigenartig, hier einen Brocken vom Yucatan-Meteoriten zu finden, nicht wahr?«
»Aber das war vor sechzig Millionen Jahren«, sagte Nadia. »Er wäre tief unter dem Eis begraben.«
»Stimmt.« Später, auf dem Rückweg zum Rover, sagte sie: »Nun, wenn sie diese Kappen abschmelzen, werden wir einige finden. Wir werden dann ein ganzes Museum von allen möglichen Meteoriten haben, die auf dem Sand herumsitzen.«
Sie durchquerten immer mehr Strudeltäler und verfielen wieder in das alte Muster eines Schiffs über den Wellen. Diesmal waren es die bisher größten Wellen, vierzig Kilometer von Kamm zu Kamm. Sie benutzten die Uhren, um einen Zeitplan einzuhalten, und parkten von zehn bis siebzehn Uhr auf kleinen Hügeln oder eingesunkenen Kraterrändern, um während der Pausen ein Bild vor Augen zu haben. Und sie verdunkelten die Fenster mit doppelter Polarisation, um nachts etwas Schlaf zu bekommen.
Dann, als sie eines Morgens dahinknirschten, stellte Ann das Radio an und begann mit den areosynchronen Satelliten Kontrollmessungen auszuführen. Sie sagte bei der Arbeit: »Es ist nicht leicht, den Pol zu finden. Die frühen Forschungsreisenden auf der Erde hatten es im Norden höllisch schwer. Sie waren immer im Sommer dort und konnten die Sterne nicht sehen.
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