Mars Trilogie 1 - Roter Mars
noch stärker war, wenn sie ihre Helme auf das Eis drückten oder dies auch nur mit den Händen berührten. Nach einiger Zeit plumpsten weiße Eistrommeln in einen Ladewagen, und dann brachte sie ein kleiner robotischer Gabelstapler zu einer Destillerie, die das Eis schmolz und seinen beträchtlichen Anteil an Staub ausschied. Danach wurde das Wasser in Würfel von einem Meter Kantenlänge gefroren, die besser zum Beladen der Rover geeignet waren. Diese Geländelastwagen waren bestens imstande, vor Ort zu fahren, aufzuladen und selbständig wieder zur Basis zu fahren. Damit würde die Basis eine regelmäßige Versorgung mit Wasser haben - größer, als sie je brauchen würden. Rund vier bis fünf Millionen Kubikkilometer steckten in der sichtbaren Polkappe, so rechnete Edvard aus, obwohl darin viele Schätzwerte enthalten waren.
Mehrere Tage lang testeten sie den Schürfer und stellten eine Reihe von Sonnenpaddeln auf, um ihn mit Energie zu versorgen. In den langen Abenden nach dem Essen pflegte Ann auf die Eismauer zu klettern, vorgeblich, um noch mehr Bohrungen zu machen, obwohl Nadia wußte, daß sie bloß von Phyllis und Edvard und George entfernt sein wollte. Und natürlich wollte sie die ganze Strecke bis zum Gipfel ersteigen, um auf die Polkappe zu gelangen und sich umzuschauen und von den jüngsten Eisschichten Proben zu nehmen. Als nun eines Tages der Schürfer alle Probeläufe beendet hatte, standen Ann, Nadia und Simon in der Morgendämmerung auf - kurz nach zwei Uhr früh -, traten in die extrem kalte Morgenluft hinaus und kletterten los. Ihre Schatten waren wie große Spinnen, die vor ihnen kletterten. Der Eishang hatte einen Neigungswinkel von etwa dreißig Grad, der noch größer wurde und dann nachließ, während sie allmählich die rohen Stufen in dem geschichteten Eis des Hügels erstiegen.
Es war sieben Uhr, als sich der Hang abflachte und sie auf der Oberfläche der Polkappe marschierten. Nach Norden zog sich eine Eisfläche hin, so weit sie sehen konnten, bis zu einer Horizontlinie in etwa dreißig Kilometern Entfernung. Zurückschauend gen Süden konnten sie weit über die geometrischen Strudel des laminaren Geländes hin blicken. Das war der weiteste Ausblick, den Nadia je auf dem Mars erlebt hatte.
Das Eis des Plateaus war ganz ähnlich geschichtet wie der laminare Sand unter ihnen, mit breiten, schmutzig roten Bändern, die reineres Material umgaben. Die andere Wand von Chasma Borealis lag fern im Osten und sah von ihrem Beobachtungsplatz fast vertikal aus, lang, hoch, massiv. »So viel Wasser!« sagte Nadia wieder. »Das ist mehr, als wir je brauchen werden.«
»Das kommt darauf an«, sagte Ann unaufmerksam und drehte den kleinen Bohrer ins Eis. Ihre abgedunkelte Gesichtsscheibe wandte sich Nadia zu. »Wenn man die Terraformer gewähren läßt, wird das alles wie Tau an einem heißen Morgen verschwinden. In die Luft, um hübsche Wolken zu erzeugen.«
»Wäre das so schlimm?« fragte Nadia.
Ann starrte sie an. Durch die getönte Visierscheibe sahen ihre Augen aus wie Stahlkugeln.
An diesem Abend beim Essen sagte sie: »Wir sollten wirklich einen Ausflug bis hin zum Pol machen.«
Phyllis schüttelte den Kopf. »Wir haben weder die Nahrung noch die Luft dafür.«
»Ruf an, daß sie etwas abwerfen!«
Edvard schüttelte den Kopf. »Die Polkappe ist von Tälern durchschnitten, die fast so tief sind wie Borealis.«
»O nein«, sagte Ann. »Man könnte direkt hinfahren. Die Wirbeltäler sehen aus dem Weltraum dramatisch aus, aber das kommt durch den Unterschied in der Albedo zwischen Wasser und Kohlendioxid. Die Hänge sind in Wirklichkeit nicht mehr als sechs Grad gegen die Horizontale geneigt. Es ist tatsächlich bloß noch mehr geschichtetes Gelände.«
»Wir müßten aber erst mal auf die Kappe kommen«, warf George ein.
»Kein Problem. Wir fahren herum zu einer der Eiszungen, die zum Sand herunterführen. Die sind wie Rampen zum Zentralmassiv. Und einmal dort, fahren wir direkt zum Pol!«
Phyllis sagte: »Es gibt keinen Grund hinzugehen. Es wird bloß mehr von dem sein, was wir hier sehen. Und es bedeutet, mehr der Strahlung ausgesetzt zu sein.«
»Und«, fügte George hinzu, »wir sollten das, was wir an Nahrung und Luft haben, dazu benutzen, einige der Stellen zu erkunden, an denen wir auf dem Weg hierher vorbeigekommen sind.«
Darauf kam es ihnen also an. Ann knurrte: »Ich bin die Leiterin der geologischen Durchmusterung«, sagte sie scharf. Das mochte stimmen; aber sie war
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