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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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lächerlicher Faustschlag sie glatt von den Füßen riß. Sie stieß mit den Kniekehlen ans Geländer, machte einen Salto, machte eine Drehung, um sich abzufangen und bekam einen harten Schlag auf den Kopf; aber der Helm schützte sie, und sie blieb bei Bewußtsein. Sie taumelte das Gefälle hinunter zur Kante des Vorsprungs, hinter der die Leere gähnte. Furcht durchschoß sie wie ein elektrischer Schlag, sie kämpfte ums Gleichgewicht, schwankte hilflos und fühlte einen Ruck - o ja, das Ende ihres Geschirrs! Danach das widerliche Gefühl, weiter nach unten zu rutschen. Der Karabiner des Geschirrs mußte nachgegeben haben. Ein zweiter Adrenalinstoß der Angst. Sie drehte sich einwärts, griff nach dem vorbeigleitenden Felsen. Menschliche Kraft bei 0,005 Ge. Dieselbe geringe Schwere, die es möglich gemacht hatte, daß sie den Halt verlor, erlaubte ihr jetzt, sich mit einer einzigen Fingerspitze festzuklammern und das ganze Gewicht ihres fallenden Körpers wie durch ein Wunder abzuhalten.
    Sie befand sich an der Kante eines langen Absturzes. In ihren Augen funkelten Lichter, Übelkeit, dahinter Dunkelheit... Sie konnte den Boden der Schlucht nicht erkennen, es war ein Abgrund ohne Boden, ein Traumbild, Sturz in die Dunkelheit... »Beweg dich nicht!« sagte Anns Stimme ihr ins Ohr. »Halt dich fest, und rühr dich nicht!« Über ihr ein Fuß und dann Beine. Ganz langsam hob Zo den Kopf, um zu schauen. Eine Hand packte fest ihr rechtes Handgelenk. »Okay. Einen halben Meter über dir ist ein Halt für deine linke Hand. Höher! Da! Okay, klettere! Ihr da oben, zieht uns hoch!«
    Sie wurden hochgezogen wie Fische an der Angelschnur.
    Zo setzte sich auf den Boden. Die kleine Raumfähre landete lautlos auf einem Platz an der anderen Seite der flachen Stelle. Kurzes Aufflammen ihrer Raketen. Die besorgten Blicke der Wächter über ihr.
    »Kein sehr lustiger Spaß«, meinte Ann.
    »Nein«, sagte Zo und dachte darüber nach, wie sie den Vorfall verwerten könnte. »Danke, daß du mir geholfen hast!« Es war beachtlich, wie rasch Ann ihr zu Hilfe geeilt war; nicht, daß sie sich dazu entschlossen hätte, das erforderte der Ehrenkodex. Man hatte Verpflichtungen gegenüber seinen Gleichrangigen, und Feinde waren ebenso wichtig wie Freunde. Feinde waren ebenbürtig und notwendig. Sie waren das, was es möglich machte, ein guter Freund zu sein. Aber rein als physisches Manöver war es eindrucksvoll gewesen. »Du warst sehr flink.«
    Auf dem Rückflug nach Oberon waren sie alle sehr still, bis sich einer von der Crew an Ann wandte und sagte, daß Hiroko kürzlich hier im Uranussystem gesehen worden sei, auf Puck.
    »Was für ein Mist!« sagte Ami.
    »Wieso?« fragte Zo. »Vielleicht hat sie beschlossen, so weit wie möglich von Erde und Mars wegzukommen, wie nur irgend möglich. Ich kann es ihr nicht verübeln.«
    »Dies ist nicht gerade die Art von Gegend, die sie bevorzugt.«
    »Vielleicht weiß sie das nicht. Vielleicht hat man ihr nicht gesagt, daß dies ein privater Steingarten ist.«
    Ann winkte ab.
     

W ieder zum Mars, dem Roten Planeten, der schönsten Welt im Sonnensystem. Der einzig realen Welt.
    Ihr Shuttle beschleunigte, machte seine Drehung, schwebte ein paar Tage antriebslos und bremste ab. Nach zwei Wochen waren sie für Clarke ausgerichtet und dann im Aufzug, immer weiter nach unten. So langsam war dieser letzte Abstieg! Zo schaute hinaus auf Echus, dort im Nordosten, zwischen der roten Tharsis und dem blauen Nordmeer. So gut, es wieder zu sehen! Zo nahm mehrere Tabletten Pandorph, als der Waggon des Aufzugs sich nach Sheffield hineinsenkte. Und als sie in den Sockel ausstieg und dann zwischen den glänzenden Steingebäuden durch die Straßen ging und zu der großen Bahnstation auf dem Rand, war sie in der Verzückung der Areophanie. Sie liebte jedes Gesicht, das sie sah, liebte alle ihre großen Brüder und Schwestern mit ihrer überwältigenden Schönheit und phänomenalen Grazie. Sie liebte sogar die Terraner, die ihr über dem Weg liefen. Der Zug nach Echus fuhr erst in einigen Stunden; darum ging sie einige Zeit rastlos im Stadtpark spazieren und blickte in die große Caldera von Pavonis Mons hinunter, die so sehenswert war wie irgendwas auf Miranda, auch wenn sie nicht so tief war wie Prosperos Rift. Ein unendliches Band des Horizonts, alle Schattierungen von Rot, Braun, Scharlach, Rost, Umbra, Kastanienbraun, Kupfer, Ziegelrot. Sienna, Paprika, Stierblut, Zimt, Zinnober - alles unter dem dunklen, mit

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