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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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worden, hatten sich dann zusammengeballt und waren in der Hitze der Kollision zu einer einzigen Kugel verschmolzen. Aber der neue Mond war abgekühlt, ehe die Verschmelzung ganz abgeschlossen war.
    Das Ergebnis war eine Landschaft, die einem Traum hätte entsprungen sein können, äußerst wild und ungeordnet. Manche Gebiete waren glatt wie eine neue Haut, andere roh und zerfressen; manche waren metamorphe Flächen aus zwei Proto-Monden, andere bestanden aus den freigelegtem Innereien des Planeten. Und dann gab es da die tief eingekerbten Risse, wo die Fragmente unvollkommen zusammenstießen. Hier bogen ausgedehnte parallele Bruchsysteme in spitzen Winkeln mit dramatischen Zickzackformationen ab, ein deutliches Zeichen für die enormen Scherkräfte, die bei der Kollision aufgetreten waren. Die großen Spalten waren so breit, daß man sie auch aus dem Raum als Hackspuren erkennen konnte, Dutzende von Kilometern tiefe Einschnitte in der Seite der grauen Sphäre.
     
    Sie landeten auf einem Plateau dicht bei der größten dieser Hackspalten, genannt Prosperos Rift. Sie schlüpften in ihre Anzüge, verließen das Raumschiff und gingen zur Kante der Schlucht hinaus. Ein düsterer Abgrund, und so tief, daß der Boden zu einer anderen Welt zu gehören schien. Zusammen mit der leichten Mikrogravitation vermittelte der Anblick Zo ein deutliches Gefühl vom Fliegen. Allerdings einer Art zu Fliegen, wie sie sie manchmal in ihren Träumen erlebte, wo alle Marsverhältnisse zugunsten eines geistigen Himmels aufgehoben waren. Über den Köpfen der Besucher schwebte Uranus voll und grün und gab ganz Miranda einen Anflug von Jade. Zo tanzte den Rand der Kante entlang, stieß sich mit den Zehen ab, schwebte und kam in kleinen Plies, das Herz voller Schönheit, herunter. So seltsam erschienen die diamantenen Funken der Gaslaternen, die auf der Atmosphäre von Uranus dahinglitten, die geisterhafte Jade. Winzige helle Lichter, aufgehängt um einen düsteren grünen Lampion. Die Tiefen des Abgrunds waren nur angedeutet. Alles erglühte in seinem eigenen inneren Grün, Viriditas brach aus jedem Ding hervor und war doch still und bewegungslos für immer, außer für sie, die Eindringlinge, die Beobachter. Zo tanzte.
    Ann marschierte viel bequemer dahin als vorhin in Hippolyta, mit der unbewußten Grazie von jemand, der viel Zeit damit verbracht hat, über Felsen zu gehen. Ein Steinballett. Sie hielt in ihrem dicken Handschuh einen langen, gebogenen Hammer, und ihre Hosentaschen waren von Proben gebeult. Sie reagierte nicht auf die Rufe von Zo oder der Wächtergruppe. Sie ignorierte sie. Wie ein Schauspieler, der die Rolle von Ann Clayborne spielte. Zo lachte. Wie konnte man so ein Klischee werden!
    »Wenn man dieses Relikt und den Abgrund der Zeit überdachen würde, ergäbe das einen wunderschönen Platz zum Leben«, sagte sie. »Für die Kuppel würde man viel Land benötigen, nicht wahr? Aber so eine Aussicht! Es wäre wie ein Wunder.«
    Natürlich erhielt sie keine Antwort auf eine derart deutliche Provokation. Aber es würde sie zum Nachdenken veranlassen. Zo folgte der Gartengruppe wie ein Albatros. Sie stieg eine zerbrochene natürliche Steintreppe, die am Rand eines schmalen Vorsprungs verlief, hinunter, der sich von der Wand des Chasmas weit hinaus erstreckte wie der Faltenwurf einer Marmorstatue. Er endete in einem flachen Wirbel mehrere Kilometer von der Wand entfernt und ein oder zwei Kilometer unterhalb des Randes. Danach fiel der Vorsprung abrupt mehr als zwanzigtausend Meter tief zum Boden des Chasmas ab. Zwanzig Kilometer!... Selbst der große Mars konnte sich keiner solchen Wand rühmen.
    An der Wand gab es eine Anzahl von Vorsprüngen und anderen Deformationen wie die, auf der sie kletterten: Riefen und Draperien wie in einer Kalksteinhöhle, aber hier waren sie alle auf einmal entstanden. Die Wand war geschmolzen, geschmolzenes Gestein war in den Abgrund getropft, bis die Kälte des Raums es für immer hatte gefrieren lassen. Von jedem Punkt ihres Abstiegs aus war die ganze Wand zu überblicken. In die Kante des Vorsprungs war ein Geländer eingefügt worden; und sie alle waren mit Seilen daran festgehakt, die mit einem Geschirr an ihren Raumanzügen verbunden waren. Das war gut, denn der Rand des Vorsprungs war schmal, und der kleinste Ausrutscher konnte sie in den Abgrund hinausschleudern. Das spinnenähnliche kleine Raumschiff, das sie abgesetzt hatte, flog hinunter und würde sie unten an der Treppe, bei der flachen

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