Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
Vegetation bescheiden. Jedenfalls zunächst. Man mußte danach suchen, genau auf Farbe achten, vor allem auf Grün in all seinen Schattierungen, besonders aber die Wüstentönungen - salbei, oliv, khaki und so weiter. Er schaute näher hin und noch näher. Einmal auf die blassen Farben dieses Lebens eingestimmt, sprangen sie ihm plötzlich aus dem Rostigen, Braunen, Umbra, Ocker und Schwarz der Steinlandschaft heraus geradezu ins Auge. Löcher und Spalten waren günstige Stellen, und nahe von beschatteten Stellen, in denen sich der Schnee gehalten hatte. Je genauer er hinschaute, desto mehr sah er. Und dann, in einem Becken, schien es, als ob in jedem Winkel Pflanzen versteckt wären. In diesem Augenblick begriff er. Das ganze Tyrrhena-Massiv war ein Fjellfeld!
    Er fand die hellen grünen Farben mancher Flechten und das smaragdene oder dunkel samtige Grün der Moose ganze steinige Flächen bedeckend oder die Innenseiten von kleinen Wasser- und Tropfbecken. Wie feuchtes Pelzwerk.
    Die vielfarbigen Paletten der Flechtengruppen, das dunkle Grün von Fichtennadeln. Dichtes Geäst von Hokkaidofichten, Fuchsschwanzfichten, Sierrawacholder. Farben des Lebens. Es war, als ginge man aus einem großen Zimmer ohne Dach in ein anderes über verfallene steinerne Wände. Eine kleine Plaza, eine gewundene Galerie, ein großer Ballsaal, eine Reihe zusammenhängender kleiner Kammern, ein Wohnraum. Manche Räume enthielten Krummholz-Bonsai an ihren niedrigen Wänden, die Bäume nicht höher als die Steine, von Wind benagt und der Schneehöhe entsprechend beschnitten. Jeder Zweig, jede Pflanze, jeder offene Raum war gestaltet wie ein Bonsai, aber ohne den menschlichen Zwang zur Kultur.
    Tatsächlich aber waren, wie Nanao ihm sagte, die meisten Becken intensiv kultiviert. »Dieses Becken ist von Abraham bepflanzt worden.« Jede kleine Region unterstand der Verantwortung eines bestimmten Gärtners oder Gruppe von Gärtnern.
    »Ah!« sagte Sax. »Und dann gedüngt?«
    Tariki lachte. »Das könnte man sagen. Der Boden selbst ist größtenteils importiert worden.«
    »Ich verstehe.«
    Das erklärte die Vegetationsvielfalt. Er wußte, daß um den Arena-Gletscher ein gewisses Maß an Kultivierung geleistet worden war; dort wo er zum ersten Mal auf Fjellfelder gestoßen war. Aber hier war man weit über jene frühen Schritte hinausgegangen. Die Labors in Sabishii versuchten, wie Tariki ihm sagte, ihr Bestes, um Humus herzustellen. Eine gute Idee. In den Fjellfeldern bildete sich Boden von Natur aus im Tempo von nur ein paar Zentimetern pro Jahrhundert. Aber das hatte seine Gründe; und die Erzeugung von Humus erwies sich als sehr schwierig.
    »Wir hingegen beginnen hier mit ein paar Millionen Jahren Evolution als Anfang«, sagte Nanao. »Entwickeln von dort aus.« Sie hatten viele der Pflanzen anscheinend mit der Hand gepflanzt und dann größtenteils ihrem Schicksal überlassen und beobachtet, was sich entwickelte.
    »Ich verstehe«, sagte Sax.
    Er schaute noch genauer hin. Klares, gedämpftes Licht. Es stimmte, daß jeder große offene Raum eine leicht unterschiedliche Gruppe von Arten aufwies. »Es sind also Gärten.«
    »Ja... oder so ähnlich. Es kommt darauf an.«
    Einige Gärtner arbeiteten, wie Nanao sagte, nach den Vorschriften von Muso Soseki, andere nach anderen japanischen Zenmeistern, wieder andere nach Fu Hsi, dem legendären Erfinder des chinesischen Systems der Geomantie namens Feng Shui, andere ferner nach persischen Garten-Gurus einschließlich Omar Khayyam, oder Leopold, oder Jackson oder anderen frühen amerikanischen Ökologen wie dem fast vergessenen Biologen Oskar Schnelling usw.
    Tariki fügte hinzu, daß das nur Einflüsse wären. Bei der Arbeit entwickelten sie eigene Konzepte. Sie folgten der Neigung des Landes, als sie sahen, daß manche Pflanzen gediehen und andere starben. Co-Evolution, eine Art epigenetischer Entwicklung.
    »Hübsch«, sagte Sax und schaute sich um. Für die Adepten mußte der Marsch von Sabishii hinauf zum Massiv ein ästhetischer Ausflug gewesen sein, voller historischer Anspielungen und subtiler Varianten, die ihm verborgen blieben. Hiroko hätte es Areoformen genannt oder Areophanie. »Ich würde gern eure Bodenlabors sehen.«
    »Natürlich.«
    Sie kehrten zum Rover zurück und fuhren weiter. Spät am Tag, unter dunklen, drohenden Wolken kamen sie ganz auf den Gipfel des Massivs, der sich als eine Art breites, welliges Moor erwies. Kleine Spalten waren voller Kiefernadeln, die vom Wind

Weitere Kostenlose Bücher