Mars
gekehrt.
Reed saß am Schreibtisch seines Krankenreviers und grübelte über Jamies Gespräch mit Brumado nach. Der Kerl ist wirklich unverschämt, dachte Tony beinahe bewundernd. Welche inneren Dämonen ihn auch immer treiben, er besitzt die Frechheit, Forderungen an Brumado persönlich zu stellen. Und an die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten.
Reed l ä chelte in sich hinein und dachte: Wenn ich auch nur ein bi ß chen Gl ü ck habe, wird er auf das Schiff im Orbit verbannt, und ich habe Joanna f ü r mich. Es w ü rde nicht einfach sein, aber er w ü rde es schaffen, wenn der Kerl von der Bildfl ä che verschwunden war. Er sp ü rte eine heftige Erregung bei dem Gedanken, die Kleine im Bett zu haben.
Tonlos vor sich hinsummend, tippte Reed auf seiner Tastatur und rief das Nachmittagsprogramm auf. Sechs der sieben Wissenschaftler sollten mit der Vermessung der Dicke und Ausdehnung der unterirdischen Permafrostschicht fortfahren. Langweilige Arbeit. Toshima, der siebte, w ü rde in der Kuppel bleiben und mit seinen meteorologischen Me ß ger ä ten arbeiten. Reed hatte keine Aufgaben drau ß en im Freien zu erf ü llen; einer der Vorteile, wenn man Teamarzt ist, sagte er sich.
Tony holte sich sein pers ö nliches Missionsprogramm auf den Computerbildschirm und sah, da ß es an der Zeit f ü r seine w ö chentliche Inventur der pharmazeutischen Vorr ä te war. Mit einem kaum unterdr ü ckten gelangweilten St ö hnen machte er sich daran, die Best ä nde an Schmerzmitteln und Vitaminen zu ü berpr ü fen. Danach waren die Muntermacher und die Beruhigungsmittel an der Reihe. Bei denen mu ß ich besonders aufpassen. Nicht da ß mir die Leute noch drogenabh ä ngig werden.
Pock!
Das Geräusch schreckte ihn auf. Was in aller Welt war das? Reed spitzte die Ohren, hörte aber nichts mehr, nur das übliche Summen der Maschinen und die fernen, gedämpften Stimmen der anderen. Achselzuckend konzentrierte er sich wieder auf seine Arbeit.
Er ging die Schmerzmittel-Datei durch. Der Verbleib jeder Aspirintablette mu ß te erkl ä rt werden. Niemand durfte sich selbst auch nur eine einzige nehmen; nur der Teamarzt konnte die Tabletten verteilen, und er mu ß te pr ä zise Buch dar ü ber f ü hren, wer was bekommen hatte.
Vitamine nahmen sie nat ü rlich alle. Reed zog den Kasten mit den Vitaminflaschen aus dem Gestell im Container und schleppte ihn zu seinem Schreibtisch. Vier gro ß e Flaschen mit jeweils f ü nfhundert Pillen. Schon eine deckte den gesamten t ä glichen Vitaminbedarf einer Person; zweitausend auf die Oberfl ä che mitzunehmen, war typischer Missions-Overkill.
Mit einem Lichtstift begann Reed, die Strichcodes zu ü berpr ü fen, die auf die Deckel der Gef äß e gedruckt waren, so wie eine Kassiererin im Supermarkt die Lebensmittel eingibt. Verdammt alberne Besch ä ftigung, knurrte er in sich hinein. Aber wenn der Computer nicht anzeigte, da ß das Inventar Flasche f ü r Flasche ü berpr ü ft worden war, w ü rde Wosnesenski an die Decke gehen. Alle Missionsaufgaben mu ß ten genauestens erf ü llt werden, wenn es nach dem Russen ging, ganz gleich, wie belanglos oder langweilig sie waren.
Dann kam ihm pl ö tzlich ein neuer Gedanke. Wenn Jamie seinen Kopf durchsetzt und zum Grand Canyon zur ü ckkehrt, dann wird er Joanna wahrscheinlich mitnehmen wollen. Sie ist immerhin die Missionsbiologin. Der Teufel soll ihn holen, fauchte Reed stumm. Es mu ß eine M ö glichkeit geben, diese unversch ä mte Rothaut von der brasilianischen Prinzessin zu trennen. Hoffentlich verbannen sie den Kerl in den Orbit.
Pock! Wieder das Geräusch, nur diesmal leiser. Was konnte das sein? fragte sich Reed, als er die erste Vitaminflasche aufschraubte. Ich könnte die Kapseln auch gleich in die kleineren Flaschen umfüllen, wenn ich sie eh schon heraushole. Tony schimpfte stumm über die Effizienzexperten, die die Missionslogistik geplant hatten; es war ihnen entgangen, daß diese riesigen Flaschen nicht in die Borde der Kombüse paßten. Deshalb mußte er die Vitaminkapseln per Hand in kleinere Gefäße umfüllen. So ein Schwachsinn.
Pock! Pock!
Reed sprang auf und stieß dabei die offene Flasche um. Vitaminpillen ergossen sich über den Schreibtisch, rollten auf den Fußboden.
»Alle Mann in die Anzüge!« dröhnte Wosnesenskis schwere Stimme durch die Kuppel. »Sofort! Zieht eure Anzüge an! Auf der Stelle! «
Kosmonaut Leonid Tolbukhin, der im Kommandozentrum der Mars 2 Dienst tat, richtete sich in seinem
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