Mars
sagte er und streckte die Hand aus, um sie aufs Sofa zu ziehen.
Sie wich ihm aus. » Brumado ist jetzt in Washington, aber nicht mehr lange. Am besten, ich mache mich gleich auf den Weg. «
Er sah sie stirnrunzelnd an. » Nachts um diese Zeit fliegen keine Maschinen, Herrgott noch mal. Entspann dich. Trink einen Schluck Wein. «
» Sie bezahlen mich daf ü r, da ß ich Ihnen Nachrichten liefere « , erwiderte Edith l ä chelnd. » Lassen Sie mich meine Br ö tchen verdienen. «
» Steck dir deine Br ö tchen sonstwo …«
Aber sie war schon auf dem Weg zur T ü r. » Ich miete mir einen Wagen und rufe Sie aus Washington an – mit einem Exklusivinterview mit Brumado. Und vielleicht sogar mit der Vizepr ä sidentin! «
Edith war drau ß en, bevor er vom Sofa hochkam. Es klappt immer, dachte sie. M ä nner denken nun mal mit den Eiern.
Vor Jahren war sie durch Schaden klug geworden und hatte die erste Ü berlebensregel gelernt: Geh nie mit einem Mann ins Bett, bevor du nicht von ihm bekommen hast, was du willst. Er will Sex. Ich will einen festen Job, nicht dieses kleine Berater-Arrangement. Er k ö nnte mich jederzeit rauswerfen, wann immer es ihm beliebt. Wenn es mir gelingt, die Story ü ber Jamies Kampf mit den Projektleitern als erste zu bringen, dann bekomme ich einen Fulltime-Job, und er kann seinen Fick kriegen, um den Deal zu zementieren. Vielleicht.
DOSSIER
JAMES FOX WATERMAN
Daß der junge James Waterman Studentenführer wurde, hatte er einem neurotischen Assistenzprofessor und einem Officer der State Police zu verdanken. Die Episode verfolgte ihn immer noch immer bis in seine Träume.
Die Sache hatte sich während Jamies zweitem Studentenjahr in Albuquerque zugetragen. Er war ein stiller Student, ein Einzelgänger, der zu seinen Seminaren ging und seine Arbeit machte, aber nicht viel Kontakt mit den anderen Studenten hatte. Die meisten seiner Lehrer erinnerten sich – wenn überhaupt – an einen ernsthaften jungen Mann mit dem kupferfarbenen, breitwangigen Gesicht eines Indianers, der in den Seminaren kaum je ein Wort sagte, aber hervorragende Arbeiten abgab. Jamie bekam in den meisten Seminaren sehr gute Noten, erntete aber weder bei seinen Kommilitonen noch beim Lehrkörper des Fachbereichs irgendeine Anerkennung.
Er lebte abseits des Campus bei Freunden seines Gro ß vaters, einer Navajo-Familie, die eine Modeboutique auf der Altstadt-Plaza von Albuquerque hatte. Jamie fuhr mit einem gebrauchten Motorroller hin und her und verdiente sich ein paar Dollar, indem er am Wochenende im Laden aushalf.
Obwohl es so gut wie niemand bemerkte, war Jamie beinahe ein Einserstudent. An dem Beinahe war sein Shakespeare-Seminar im zweiten Studienjahr schuld.
Den Erstsemester-Einführungskurs in englischer Literatur hatte Jamie erfolgreich absolviert. Seine ersten Begegnungen mit dem reichen Schrifttum, das mit Beowulf begann und sich über die Jahrhunderte hinweg bis zu Eliot und Ballard erstreckte, hatten ihm Spaß gemacht. Vor Kipling mit seiner ›Bürde des weißen Mannes‹ war er anfangs allerdings zurückgeschreckt. Aber die schlichtweg wunderbaren, abenteuerlichen Gedichte und Geschichten des Mannes hatten dann doch sein Herz erobert.
Im Shakespeare-Seminar ging es ganz anders zu. Unter Lehrtätigkeit verstand Assistenzprofessor Ferrara, daß er den Studenten auf seinem Schreibtisch stehend alle Rollen der Stücke des Barden laut vorlas, wobei er dramatisch deklamierte und die Luft mit Gesten durchschnitt. Es dauerte nur eine Woche, bis Jamie begriff, daß der kleine Ferraro – ein Mann in mittleren Jahren – ein gescheiterter Schauspieler war, der all seine Seminare zu seiner persönlichen Bühne umfunktionierte.
In der Mitte des Semesters bekam Jamie Ä rger mit Ferraro. Der kleine Mann stellte keine Fragen und verlangte keine schriftlichen Arbeiten. Er erwartete nur, da ß seine Studenten seine Schreibtischauftritte mit verz ü ckter Aufmerksamkeit verfolgten. Und dann applaudierten. Als Jamie fragte, wie Othello – angeblich doch ein intelligenter Menschenf ü hrer – so vollst ä ndig auf Jagos durchsichtige Intrigen hereinfallen konnte, funkelte Ferraro ihn w ü tend an und erkl ä rte ihm, er solle das St ü ck so oft lesen, bis er es verstanden habe. Als Jamie aufrichtig verwirrt fragte, ob Rosenkranz und G ü ldenstern Homosexuelle sein sollten, erwiderte Ferraro kalt: » Ich werde nicht zulassen, da ß mein Seminar in einen Zirkus verwandelt wird. «
Nat ü rlich befa ß te
Weitere Kostenlose Bücher