Mars
Testbogen? Dein eigener? « Der Polizist machte ein ungl ä ubiges Gesicht.
» Ich kann ihn Ihnen zeigen. Ich habe ihn mitgenommen, um ihn morgen dem Studentenausschu ß vorzulegen. Der Professor hat mich durchrasseln lassen, ohne ü berhaupt zu lesen, was ich geschrieben habe. «
Der Polizist lie ß die Luft aus den aufgeblasenen Wangen. » In Ordnung. Gleich morgen fr ü h machst du, da ß du zur Universit ä t kommst, und gibst dieses Papier dem Professor, dem du es weggenommen hast. Verstanden? Gleich morgen fr ü h. Sonst beantragt er wom ö glich noch einen Haftbefehl, und wir m ü ssen eine Fahndung nach dir rausgeben. «
» Jawohl, Sir. Gleich morgen fr ü h. «
Der Polizist setzte die Sonnenbrille wieder auf und ging die Stufen hinunter zu seinem wuchtig wirkenden Wagen, wobei er etwas ü ber gef ä hrliche Kriminelle und schweren Diebstahl vor sich hinmurmelte.
Nach einer schlaflosen Nacht gab Jamie dem Assistenzprofessor den Testbogen zur ü ck. Aber erst machte er noch zwei Fotokopien davon. Eine gab er dem Dekan, die andere dem Vorsitzenden des Studentenausschusses. Zwei spannungsgeladene Tage verstrichen, dann bat der Dekan Jamie in sein B ü ro. Ferraro war schon da. Eine kleine Kugel aus Wut und Nervosit ä t, sa ß er auf einem Stuhl, der zwei Nummern zu gro ß f ü r ihn zu sein schien.
Von dem bequemen Drehsessel hinter seinem breiten Schreibtisch aus winkte der Dekan Jamie zu einem harten Holzstuhl, der davor stand. Er war ein liebensw ü rdiger, bartloser Weihnachtsmann mit rosaroten Wangen, der im Ruf stand, Schwierigkeiten nach M ö glichkeit aus dem Weg zu gehen.
» Ich glaube, Sie schulden Mister Ferraro eine Entschuldigung « , sagte der Dekan mit freundlichem L ä cheln.
Jamie sagte nichts. Ferraro sagte nichts.
» Ihre blaue Mappe ist wirklich Universit ä tseigentum, wissen Sie. Technisch gesprochen hatten Sie nicht das Recht, sie an sich zu nehmen. «
Jamies Kehle f ü hlte sich eng und trocken an. » Ich hatte das Recht zu sehen, was drinstand. Ich hatte das Recht, dar ü ber mit meinem Lehrer zu sprechen. «
Der Dekan nickte. » Deshalb sind wir hier. Um den Inhalt Ihres Tests zu er ö rtern. Mister Ferraro, k ö nnen Sie erl ä utern, welche Fehler diesem jungen Mann bei seinen Gedanken ü ber Othello unterlaufen sind? «
Allm ä hlich d ä mmerte es Jamie, da ß der Dekan keineswegs die Absicht hatte, sich mit seinem › Diebstahl ‹ zu befassen. Ferraro nuschelte sich durch eine Serie von Ausfl ü chten, was Jamies Test betraf; es lief darauf hinaus, da ß Jamie nichts von Shakespeares Werk verstand.
Nach etlichen Minuten gingen Ferrara die Worte aus. Der Dekan nickte erneut und setzte sein L ä cheln wieder auf. Er faltete die H ä nde auf seinem Schreibtisch und sagte: » Ich glaube, wir haben hier ein Kommunikationsproblem. Lassen Sie mich einen Kompromi ß vorschlagen. Mister Waterman wird bescheinigt, da ß er das Seminar erfolgreich abgeschlossen hat, ohne da ß er an den restlichen Sitzungen teilnehmen mu ß . W ä ren Sie damit beide einverstanden? «
Ferraro warf einen Blick auf Jamie und schaute dann schnell weg.
» Welche Note bekomme ich? « fragte Jamie.
» Ich glaube, eine Drei reicht f ü r dieses Gentlemen ’ s Agreement « , antwortete der Dekan.
Jamie sch ü ttelte den Kopf. » Das vermasselt mir meinen Durchschnitt. «
Das L ä cheln des Dekan wurde w ä chsern. » Ihr Notendurchschnitt wird doch eine Drei ü berstehen, glaube ich. «
» Wenn man bedenkt, da ß Sie eigentlich durchgefallen sind « , sagte Ferraro, » sollten Sie f ü r eine Drei dankbar sein. «
» Ich bin durchgefallen, weil Sie meinen Test nicht gelesen haben. «
» Das ist eine L ü ge! «
» Na, na « , sagte der Dekan beschwichtigend. » Mister Waterman, wenn Sie mit einer Drei nicht zufrieden sind, erlaube ich Ihnen, das Seminar n ä chstes Semester zu wiederholen. Weiter werde ich Ihnen nicht entgegenkommen. «
Jamie akzeptierte die Drei nur bis zur nächsten Wahl der Mitglieder des Studentenausschusses. Zum ersten Mal in seinem Leben gab es ein Thema, für das er sich engagierte: die arrogante Behandlung, die er selbst seitens der Fakultät und der Verwaltung erfahren hatte. Er mußte sich seinen Kommilitonen gegenüber öffnen, mußte lernen, sie anzulächeln und sie zu begrüßen, ihnen zuzuhören und ihnen seine Geschichte zu erzählen. Sein ›Diebstahl‹ wurde ein cause celebre auf dem Campus und spülte ihn mühelos auf einen Sitz im Ausschuß. Er haßte die
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